Text: Andreas Pooch – Fotos: ECF
Die Ausgabe 2024 der Velo City Konferenz fand vom 18. bis 21. Juni im Belgischen Gent statt. Gent ist eine schrullige und lebendige Stadt in Flandern, die eine perfekte Kulisse für den diesjährigen Radgipfel bot. Und den Slogan der Konferenz, „Verbinden durch Radfahren“, konnte man in dieser Radler:innen-Metropole hautnah erleben. Bürgermeister Matthias de Clercq beschrieb, dass Gent die erste belgische Stadt mit einem Fahrrad-Masterplan war und führten hier als erste Fahrradstraßen ein und einem nahezu autofreien Stadtzentrum.
1.615! Noch nie so viele Teilnehmende auf eine Velo-city!
Dienstag 18. Juni
Die Eröffnungszeremonie und das erste Plenum begann mit einem Radrennen im legendären t` Kuipke Velodrome [1], bei dem Milan Thomas und Lieven Desomviele [2] auf einem Tandem gegen Mathias Lefeber [3] auf einer Zeitfahrmaschine antraten. Natürlich gewann die Tandemcrew. So wurden die 1.615 Connecting through Cycling Teilnehmer:innen zünftig auf die Konferenz eingestimmt.
Erstes Plenum
Janette Sadik-Khan [4], die ehemalige Verkehrskommissarin von New York City, erzählte die Geschichte, wie ihre Stadt zu fast 400 Meilen Radwegen gekommen ist und zog viele ähnliche Beispiele weltweit heran, die zeigen, dass eine fahrradfreundliche Stadt letztendlich allen zugutekommt. Inzwischen gibt es mehr Rad- als Autofahrer in vielen großen Städten, z.B. Paris oder London. Radfahren überwindet Barrieren und verbindet Gemeinschaften, wenn es inklusiv gestaltet wird.
Höhepunkte aus den Sessions
Fahrradfreundliche Arbeitgeber
Dank des Zertifizierungssystems „Cycle-Friendly Employer“ [5] verwandeln über 800 zertifizierte Arbeitgeber aus 15 Ländern Arbeitsplätze in fahrradfreundliche Umgebungen für mehr als 700.000 Mitarbeiter:innen. In Deutschland führt der ADFC die Aufgabe der Zertifizierung eines Arbeitgebers durch. Sara Tsudome vom ADFC betonte, wie Städte zertifizierte Arbeitgeber nutzen können, um Daten zur Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur zu sammeln. Gleichwohl ist es wichtig, dass Interessierte eine Anleitung zur Veränderung der Fahrradkultur am Arbeitsplatz erhalten, wie Wies Callens vom Fietsersbond betonte.
Bekämpfung der Verkehrsarmut durch Zugang zu Fahrrädern
Nicht jede:r hat Zugang zu einem Fahrrad. Unter dem Thema „Menschen und Gemeinschaften verbinden“, wurde z.B. über das „Free Velo-Förderprogramm“ [6] in Lyon berichtet oder von den Fahrradbibliotheken im Großraum Manchester. Diese Bibliotheken erleichtern auch finanziell schlecht ausgestatteten Menschen Fahrradmobilität bzw. das Austesten verschiedener Fahrradkonzepte.
Sicherheit in der Last-Mile-Delivery-Logistik – das SAFE-LMD-Projekt
Beim „SAFE-LMD-Projekt“ [7] berichtete Margot Vandorpe, Projektmanagerin bei Urbike, und Philippe Van de Casteele vom belgischen Fahrradlogistikverband über informelle Berufsbildung (VET), um sicherzustellen, dass Radfahrer sichere, nachhaltige und unfallfreie Lieferungen durchführen können. Das SAFE-LMD-Projekt entwickelte einen Online-Schulungsplan zum Selbststudium, der darauf abzielt, die beruflichen Fähigkeiten von Fahrradarbeitern im Bereich der Zustellung auf der letzten Meile zu verbessern. Es geht ja nicht nur ums Cargoradfahren, sondern auch um Verkehrsregelungen, Verkehrssicherheit, Umgang mit unterschiedlichsten Waren, logistische Steuerung u.v.m.
Frauen bringen Vielfalt in den Fahrradsektor
Hier wurde über die aktuellen Aktivitäten [8] der drei Jahre alten Initiative unter Leitung von CIE, ECF, Velokonzept, Mobycon und CONEBI berichtet. Es ist wichtig, mehr Frauen in der Branche zu haben, sowohl in Leitungsfunktion als auch auf dem Fahrrad.
Das Paradoxon der Fahrradsicherheit
In einer der letzten Sitzungen des Tages ging es um die zunehmenden Sicherheitsbedenken – selbst in traditionell sicheren Fahrradländern – und um den Anstieg der Radfahrerzahlen. Radfahren als solches ist nicht unsicher, die Rahmenbedingungen sind es. Werden diese verbessert, z.B. durch strengere Vorschriften für Kraftfahrzeuge, durch Priorisierung der Fahrradinfrastruktur, durch die Förderung verantwortungsvollen Verhaltens, dann kann Radfahren eine gesunde und leicht zugängliche Option für alle sein. Eine Helmdiskussion führt dabei letztlich auf falsche Fährten.
Zweites Plenum: Verkehr neu denken, um Städte zu verändern
Der Autoverkehr dominiert den öffentlichen Raum. Mit Blick auf Radler:innen muss dieser Raum neu konzipiert werden, was in der Regel zu Lasten des MIV geht. Flächen neu zu verteilen heißt, man muss bestimmten Verkehrsträgern Platz wegnehmen, um diesen umweltfreundlicheren und platzsparenden Verkehrsarten zuzuschlagen. Inzwischen gibt es zahlreiche Beispiel auf der ganzen Welt, wie wieder Raum zum Flanieren geschaffen werden kann, wie Kinder wieder draußen spielen können usw.
Die Sitzung endete mit der Verleihung der ECF Awards 2024, mit denen Städte und Organisationen gewürdigt werden, die bedeutende Fortschritte bei der Förderung des Radfahrens gemacht haben. Die Stadt Gent erhielt den Fahrradinfrastrukturpreis, die Stadt Bologna den Road Safety Award, das Europäische Parlament die Auszeichnung „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“, die Metropole Lyon den Cycling Improvement Award und die Stadt Quelimane den Preis für die beste aktive Mobilitätsinitiative.
Mittwoch 19. Juni
Drittes Plenum: Radverkehrsstrategien
Nationale und internationale Kräfte bündeln
Mit „Vive le Vélo!“ wandte sich Georges Gilkinet, stellvertretender Premierminister Belgiens, während der dritten Plenarsitzung an alle Fahrradliebhaber:innen. Er brachte das Radfahren auf die europäische Ebene. Seine Bemühungen führten zusammen mit denen von ECF, CIE und vielen anderen vier Jahre später zur Europäischen Erklärung zum Radfahren, der allerersten Fahrradpolitik auf europäischer Ebene [siehe Info Bull 237, Seite 44]. Von den Redner:innen der Podiumsdiskussion wurde auch der wirtschaftliche Aspekt der Deklaration betont. Mit der richtigen politischen Unterstützung lassen sich über zwei Millionen Arbeitsplätze im Fahrradsektor schaffen. Und 85% dieser Arbeitsplätze sind lokal. Es ist also etwas für jedes Dorf für jede Stadt in dieser Fahrraddeklaration enthalten.
Zum Abschluss der dritten Plenarsitzung war Sheila Watson, stellvertretende Direktorin der FIA Foundation, vor Ort und sprach über die Partnerschaft für aktives Reisen und Gesundheit: „Gehen und Radfahren spielen eine wichtige Rolle für eine nachhaltigere Zukunft.“ PATH [9] wurde vor zwei Jahren von der FIA Foundation zusammen mit ECF, Walk21 und dem UN-Umweltprogramm ins Leben gerufen und wird von über 400 Organisationen unterstützt. Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung und dem Schutz aktiver Fortbewegungsarten, was sich in den laufenden Klimagesprächen widerspiegeln muss.
Höhepunkte aus den Sessions
Förderung von Gesundheit und Gerechtigkeit – Ausweitung von Pilotprojekten
Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Sitzung ist die Bedeutung sektorübergreifender Partnerschaften und der Suche nach gemeinsamen Zielen, für die man sich einsetzen kann, unabhängig davon, ob man mit privaten Unternehmen, Stiftungen oder gemeinnützigen Organisationen zusammenarbeitet. Beispiele: „Cities for Better Health“ [10], „BYCS“ [11], „Cycling Without Age“ [12].
Vom städtischen zum ländlichen Radfahren: Den Weg für autofreundliche Gemeinden ebnen
Unter dem Unterthema „Regionen, Städte und Nachbarschaften verbinden“ befasste sich diese Sitzung mit der Frage, wie Erkenntnisse aus dem urbanen Fahrradkontext auf ländliche Gebiete angewendet werden können? „Vélo & Territoires“ [13]: Was gibt es für Möglichkeiten zur Überwindung von Budgetbeschränkungen und zur Förderung von Fahrradinitiativen, die auf ländliche Kontexte zugeschnitten sind. „Ciclovia Parchi Calabria“ [14], das erhebliche touristische Einnahmen generierte und zu einer verbesserten Fahrradinfrastruktur im ländlichen Süditalien führte, wurde kürzlich in EuroVelo, das europäische Radwegenetz, integriert.
Herausforderungen und Chancen für das Radfahren in Afrika
Die Teilnehmenden vermittelten alle die gleiche Botschaft der Hoffnung und des Fortschritts. Auf dem Weg dorthin gibt es jedoch Herausforderungen: mangelnde politische Bereitschaft, Verkehrsstaus, hohe Transportkosten und die alarmierende Zahl der Verkehrstoten. Nur ein vielschichtiger Ansatz kann hier Lösungen bringen. Das Bewusstsein für die Vorteile des Radfahrens muss geschärft werden. Es muss in den Kern der Stadtentwicklungspläne integriert werden. Erfolgreiche nationale Richtlinien aus Sambia, Kenia und Südafrika sollten übernommen werden. Die Hauptbotschaft war klar: Das Radfahren sollte in der Politikgestaltung Vorrang haben.
Die Vorteile des Radfahrens zu einem Wahlkampfthema machen
Da es sich bei 2024 um das größte Wahljahr der Geschichte handelt, ist die Priorisierung der Radverkehrspolitik als zentrales Wahlthema eminent wichtig. Die strategische Rolle von Wahlen bei der Weiterentwicklung der Radverkehrspolitik und die Bedeutung eines parteiübergreifenden Ansatzes ist nicht unterschätzen. Ein gemeinsames Thema war die Notwendigkeit, das Radfahren mit umfassenderen Themen zu verknüpfen, um Finanzierung und politische Unterstützung zu sichern: z. B. weniger Verkehrsstaus, weniger Luftverschmutzung, bessere öffentliche Gesundheit und menschenfreundlichere Straßen und vieles andere. Das Ziel, mit Parteien aus dem gesamten politischen Spektrum zusammenzuarbeiten, stellt sicher, dass Radfahren ein relevantes Thema in Wahldiskussionen bleibt, um eine grüne städtische Mobilität in ganz Europa zu fördern.
Die Bike Parade und die Après-Fiets-Party auf dem Vrijdagmarkt beschloss den Mittwoch
Wenn jemand weiß, wie man eine Party für Tausende von Menschen veranstaltet, die mit dem Fahrrad anreisen, dann ist es Gent. Rund 3.000 Velo-Bürger:innen radelten auf den schönsten Radwegen und Brücken der Stadt in Richtung Vrijdagmarkt. Dies bedeutete die Bereitstellung zahlreicher temporärer Fahrradabstellplätze, eine Herausforderung, der sich die „Fahrradbotschaft Gent“ stellte, die 1.900 sichere Parkplätze bereitstellte.
Donnerstag 20. Juni
Zitat des Tages
„Als wir ein neues Fußballstadion planten, fragten wir, warum wir das Mobilitätsproblem nicht mit dem Fahrrad lösen könnten. Wir haben gesagt: Wenn Sie weniger als 20 Minuten entfernt wohnen, kommen Sie mit dem Fahrrad. Wir begannen mit 800 Fahrradständern. Am Eröffnungsabend kamen 3.500 Fans mit dem Fahrrad.“ (Wim Beelaert – Generalkoordinator, KAA Gent Foundation)
Viertes Plenum – Kombination und Anpassung von Verkehrsträgern für nachhaltige Städte
„Fordern wir die Menschen auf, sofort Flexitarier oder Veganer zu werden?“ fragte Ananda Groag, Gründerin von Reframe. „Zufälligerweise ist in Gent auch Veggiedag, und Sie haben vielleicht bemerkt, dass wir heute nur vegetarische und vegane Optionen servieren.“ Diese passende Analogie fasst daher die Diskussion der ersten Plenarsitzung des Tages perfekt zusammen: „Wie beeinflusst die Art und Weise, wie wir städtische und ländliche Räume gestalten, die Wahl der Verkehrsmittel der Menschen?“
Was darf es denn sein? Eine traditionelle fleischlastige Ernährung, ein autolastiger Ansatz, der unsere Straßen verstopft? Sollen wir zu einem flexiblen Modell mit Lösungen wie Parken außerhalb der Stadt und Carsharing übergehen? Oder verfolgen wir einen veganen Ansatz, indem wir Autos komplett aus unseren Städten verbannen? Alexandra Reinagl, Geschäftsführerin der Wiener Linien, stellt sich eine Verkehrszukunft vor, in der wir alle gewinnen können. Wesentlich hierfür ist die gerechte Raumaufteilung, insbesondere die Neuzuweisung von Parkplätzen am Straßenrand.
Höhepunkte aus den Sessions
Radfahrer lieben Züge – es ist kompliziert!
Wir wissen, dass Radfahrer:innen Züge lieben, aber lieben Züge auch Radfahrer? Die Untersuchungen des ECF zeigen, dass die Antwort einfach klar „Nein“ lautet. Es gibt zwar ein starkes Mandat für Fahrräder in Zügen, die Betreiber sind jedoch nicht in der Lage, die praktischen Bedürfnisse von Radfahrern zu erfüllen. Es gibt Verbesserungen im Wortlaut der neuen EU-Verordnungen, die nun klar besagen, dass Fahrgäste das Recht haben, ihre Fahrräder in Zügen mitzunehmen. Allerdings sind auf allen neuen oder modernisierten Fahrzeugen immer noch standardmäßig nur vier Fahrradstellplätze vorgesehen. Ein benutzerzentrierter Ansatz muss über digitale Lösungen hinausgehen. Er umfasst alle Aspekte des Reiseerlebnisses, von der Schulung des Personals bis hin zur Bahnhofsgestaltung und den Parkmöglichkeiten. Effektive Fahrradparkplätze müssen attraktiv, sicher und gut ausgeschildert sein. Gute Beispiele sind Utrecht, Bern oder Leuven, die vorgestellt wurden.
CIE: Wie Radfahren die städtische Logistik in ganz Europa verändert
„Cycling Industries Europe“ [15] moderierte die Frage, was Fahrradlogistik ist. Philippe Van de Casteele vom belgischen Fahrradlogistikverband erklärte: „Es geht nicht nur ums Radfahren, es ist echte Logistikarbeit.“ Obwohl Lastenräder bekanntermaßen umweltfreundlicher sind als Autos, argumentierte Philippe weiter, dass Fahrradlogistik nicht nur die Nachhaltigkeit fördere, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sei und lokale Beschäftigungsmöglichkeiten schaffe. Margot Vandorpe, Projektmanagerin bei Urbike, widerlegte das Missverständnis, dass Fahrradlogistik nur für kleine Lieferungen sinnvoll sei. Sie demonstrierte, wie ihr Anhänger bis zu 200 kg tragen kann. Zum Abschluss ihres Vortrags betonte sie, dass lokale Verwaltungen die Einführung der Fahrradlogistik durch Testprogramme für Unternehmen erleichtern können.
Die allerneuesten Implementierungen und Praktiken zum Abstellen von Fahrrädern
Wie sieht eine effektive Fahrradabstellinfrastruktur aus? „Jede Fahrradtour beginnt an einem Gebäude und endet an einem Gebäude“, betonte Michael Koucky, CEO von Koucky & Partners [16] die Rolle von Immobilienunternehmen bei der Förderung des Radfahrens. Durch Bauvorschriften und Planungsanforderungen kann sichergestellt werden, dass Fahrradabstellanlagen sowohl in neuen als auch in bestehenden Gebäuden zu einem grundlegenden Aspekt der Gestaltung werden. Neben der Quantität ist auch die Qualität der Fahrradabstellanlagen entscheidend. Das Navigieren durch mehrere Türen oder das Schieben eines Lastenfahrrads über eine Rampe kann die tägliche Nutzung behindern und sogar dazu führen, dass zugewiesene Parkplätze leer bleiben. Der nächste Schritt wäre natürlich die Einführung qualitativer Standards auf EU-Ebene, um wirklich nahtlose und bequeme Radreisen zu ermöglichen.
Lassen Sie niemanden zurück: Inklusive Fahrradplanung zum Aufbau von Gemeinschaften
Das Thema „Verbindung durch Radfahren“ für Velo-city 2024 wurde in dieser Podiumsdiskussion beibehalten, wobei die Sicherstellung, dass Radfahren für alle zugänglich und sicher ist, insbesondere für gefährdete und marginalisierte Gruppen, ein zentraler Schwerpunkt war.
Internationale Zusammenarbeit bei Radwegenetzen: von nationaler bis transnationaler Ebene
Sicherheit, Kontinuität und Komfort – das waren die Hauptprioritäten, auf die sich die Diskussionsteilnehmer dieser Sitzung geeinigt hatten, damit Radwegenetze den Bedürfnissen von Pendlern, Freizeitfahrern und Sportradfahrern gleichermaßen gerecht werden können. „Die Einführung von E-Bikes hat die Lage verändert und es ist ungewiss, wie sich der Fahrradsektor in Zukunft entwickeln wird, aber wir müssen versuchen, bei der Gestaltung von Netzwerken jetzt mindestens 20 Jahre vorauszudenken“, sagte Gregor Steklačič vom slowenischen Ministerium für Umwelt und Klima und Energie. EuroVelo [17], das europäische Radwegenetz, kann für nationale Netzwerke als Inspiration dienen. Strategische Planung, politische Kohärenz und Zusammenarbeit zwischen den Interessengruppen sind der Schlüssel zum Ausbau und zur Verbesserung von Radwegenetzen, zur Förderung der Konnektivität und zur Förderung des Radfahrens als bevorzugte Wahl für den Stadt- und Überlandverkehr.
Fünftes Plenum: Zusammenarbeit mit anderen Sektoren
Die Podiumsdiskussion auf der Abschlussplenumssitzung drehte sich um das Potenzial der Partnerschaft mit Menschen außerhalb unseres gewohnten Umfelds. Jo Jewell, Direktor von Cities for Better Health, stützte sich auf seine Erfahrung in der Zusammenarbeit mit über 45 Städten und unterstrich die Bedeutung von Partnerschaften für die Erzielung von Wirkungen. Wim Beelaert, Generalkoordinator der KAA Gent Foundation, erzählte die Geschichte, wie die Fans des örtlichen Fußballvereins eine Fahrradbewegung gründeten und heute als „Velo Buffalos“ [18] bekannt sind. Adriaan Scheiris, Public Affairs Director BeNeLux-Frankreich und Südeuropa von UPS, sprach über die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Städten bei der Umsetzung von Logistikprojekten für die erste und letzte Meile und erklärte, dass UPS auf eine gute und sichere Infrastruktur angewiesen sei.
Zum Abschluss der Plenarsitzung kämpften die Smart Pedal Pitch-Finalisten in der Endrunde des Wettbewerbs um die innovativste Fahrradtechnologie. Der Gewinner, Locky Bike [19], stellte den Fahrradabstellbügel der Zukunft vor, der Fahrraddiebstahl verhindern und das Radfahren in der Stadt zu einem Kinderspiel machen soll.
Freitag 21. Juni
Am letzten Konferenztag war kein Startplenum geplant, denn der letzte Abend mit der Networking-Dinnerparty im ´t Kuipke endete spät. So begannen die Sessions um 10:00 Uhr.
Die Höhepunkte aus den Sessions
Herausforderungen und Lösungen auf dem Weg zu einer zirkulären Fahrradindustrie
Mit Beispielen wie der zirkulären (E-)Fahrradfabrik von Mocyclette [20], den Fahrradreparaturstationen der Fahrradbotschaft Gent und den Fahrradküchen l’Heureux Cyclage 500+ [21] zeigten diese Diskussionsteilnehmer, dass eine zirkuläre Fahrradwirtschaft machbar ist. Die Bike-Kitchens, die bei uns in der Regel unter „Fahrrad-Selbst-Hilfewerkstatt“ oder „Repair-Café“ laufen, können eine wichtige Rolle spielen, denn die Zukunft ist das Reparieren und Wiederverwerten.
Neue Kompetenzen und Geschäftsmodelle für die Fahrradwirtschaft der Zukunft
In dieser Sitzung wurde die Abkehr vom traditionellen Fahrradbesitz diskutiert. Als Alternative wurde eine stärkere Betonung von Reparatur, Recycling und Erschwinglichkeit von Fahrrädern vorgeschlagen. Das macht Fahrräder zugänglicher und kann die Kreislaufwirtschaft stärken. Das Wachstum findet auf der Reparaturseite statt, nicht auf der Einzelhandelsseite. Der Einzelhandel verlagert sich ins Ausland und ins Internet, aber die Reparatur erfolgt vor Ort. Qualifizierte Mechaniker werden in Zukunft sehr gefragt sein, wobei der Siegeszug des E-Bikes diese Entwicklung noch weiter vorantreiben wird.
Sechstes und Abschlussplenum: Die Zukunft neu denken
Im großen Finale wurde (noch einmal) die Zukunft des Radfahrens diskutiert. Um das Potenzial auszuschöpfen, ist die Art und Weise bedeutsam, wie Radfahren in der Öffentlichkeit präsentiert wird (Fahrradkultur). Grant Ennis, Autor von „Dark PR“ [22], betonte die Bedeutung des Framings [23] und stellte fest, dass Radfahren oft als eine Entscheidung dargestellt wird, die trotz der Herausforderungen, die die gebaute Umwelt mit sich bringt, getroffen wird. Sarah Mitchell, CEO von Cycling UK, hob ihre Strategie hervor, die sich auf Verhaltensänderungen und die Entlarvung von Fahrrad-Stereotypen konzentriert. Brian Bell von Strava betonte die Notwendigkeit, künftige Generationen einzubeziehen, indem er sagte: „Man muss an künftige Generationen denken, daher ist Gamification ein wichtiger Faktor, um Menschen dazu zu bringen, aktiv zu sein.“ Während Jamie Clarke, Gründungsdirektor von Engaging Climate, die wichtige Verbindung zwischen Radfahren und der Perspektive des Klimaaktivismus herstellte.
Nach der Podiumsdiskussion gab ECF-CEO Jill Warren in ihren Schlussbemerkungen einen Ausblick auf die Chancen: „Die EU-Erklärung ist ein ausgezeichneter Fahrplan, aber Fahrpläne müssen befolgt werden.“ Sie kündigte auch die Pläne der ECF an, die Radsportbewegung später in diesem Jahr auf die COP29 [24] zu bringen.
Ablauf einer Velo-city Konferenz
Allen, denen die Organisation einer solchen (akademischen) mehrtägigen Konferenz nicht so geläufig ist, erklären wir hier die Details.
Jeder Veranstaltungstag wird mit einem Plenum begonnen und endet mit einem. Hier war das Radstadion ´t Kuipe mit seinen amphiteatherartigen Rängen ideal. Vier oder fünf Referent:innen behandeln in jedem Plenum ein bestimmtes Thema und laden in der Regel auch das Plenum zur Beteiligung ein.
Nach kurzer Kaffepause startet die erste Session des Tages. Man muss sich für eines von sechs Themen entscheiden und geht dazu in den entsprechenden Konferenzraum. Nach einer Stunde ist in der Regel Schluß und man kann eine weitere Kaffeepause auch für den Besuch der Messestände verwenden, die in der Ausstellungshalle verteilt sind.
Danach folgt die zweite Sessionrunde.
Die Lunch-Pause ist etwas länger. Aber auch hier kann man meistens mit seinem Lunch durch die Ausstellungshalle schlendern, die Stände besuchen und Gespräche führen.
Der Nachmittag beinhaltet wieder zwei Sessionrunden, die von einer Kaffeepause unterbrochen sind.
Und darüber hinaus gibt es noch ein umfangreiches Beiprogramm. Man konnte in Gent auf den sogenannten „Technical Visits“ Infrastruktureinrichtungen für Radler:innen besichtigen. Es gibt an einem Abend die Bike-Parade, die durch die Stadt führt (Critical Mass Tour, an der nicht nur Konferenzbesucher:innen teilnehmen können).