Kuba: Mit dem Racer unterwegs

Ein Reisebericht von Andi Erben aus dem Jahr 2001.

Mitte März bis Anfang April diesen Jahres (2001) war ich beruflich auf Kuba tätig und konnte auch meinen Tieflieger mit auf die große Karibikinsel nehmen. Wohnen durfte ich, für kubanische Verhältnisse sehr nobel, in einem Appartement der Internationalen Filmhochschule (EICTV) in der Nähe von San Antonio de los Baños, ca. 40 Km südwestlich von Havanna.

Wie letztes Jahr auf Korsika unternahm ich nach der Arbeit und am Wochenende von dort aus kleinere und größere Touren und konnte mir so ein Bild der Region machen. Die Flugreise Berlin-Paris-Havanna und zurück wagte ich also mit dem Liegerad im Reisegepäck. Mir wurde im Reisebüro empfohlen, das Rad gut zu schützen, es aber als Fahrrad erkenntlich zu lassen, was ich dann auch tat und vorher bei der Buchung anmeldete.
Für den Lieger als solchen wurde bei beiden von mir benutzten Fluggesellschaften (Air France und Cubana Air) keine spezielle Gebühr erhoben. Allerdings wurde das Gewicht des Rades teilweise zum restlichen Fluggepäckgewicht dazu addiert und das Übergewicht in Rechnung gestellt. Das allerdings kann u.U. teuer werden – Air France verlangt für die Strecke Berlin-Paris 18 DM pro Kilo Übergepäck, Cubana Air für den Interkontinentalflug sogar 23 US-Dollars pro Kilo – wurde mir aber nur beim Rückflug berechnet und es wurde recht kulant gewogen. Da macht ein leichtes Rad doch noch mehr Sinn…?
Man holte meinen verpackten Racer am Gepäckschalter ab und brachte ihn mir jeweils am Zielflughafen entweder am entsprechenden Abholschalter auf Anfrage persönlich wieder, oder er kam, wie die Koffer auch, auf dem Rollband zu mir zurück.
Ich hatte das Rad so verpackt, daß sich das Hinterrad noch frei drehte. So konnte ich den Racer vorne am Rahmen anheben und bequem hinter mir her ziehen. Zusammen mit dem Rollenkoffer an der anderen Hand waren die recht weiten Wege in den Flughäfen auf diese Weise gut zu schaffen. Bei Flügen in großer Höhe macht ein Absenken des Reifendrucks schon Sinn. Theoretisch sollte der relative Innendruck um etwa ein Bar steigen können. Die Verlader bei Cubana Air friemelten aber mir unverständlicher weise auf beiden Flügen meine hintere Radverkleidung auf und ließen auch das allerletzte von mir dort belassene Bar aus dem Schlauch…
Das Schwierigste war der lästige und obendrein teuere Bustransfer quer durch Paris beim Umsteigen zwischen den beiden Pariser Großflughäfen. Man muß mit allem Gepäck vollständig auschecken, zur Bus-Abfahrtsstelle hin und am anderen Flughafen sich und sein Gepäck wieder einchecken… In das niedrige und enge Gepäckfach des Busses mußte das Rad ganz oben auf die vielen Koffer drauf. Mit einem breiteren, als meinem Deichsellenker, wäre das sehr problematisch geworden. Bei jedem Halt mußte ich aussteigen und aufpassen, daß die groben Kofferpacker keine schweren Gepäckstücke auf das Rad draufstapelten. Das bedeutete dann mehrmals: Rad raus, Koffer rein, Rad wieder drüberschieben…
Dieser Teil der Reise war wirklich oberlästig !! Ich würde bei Wiederholung einen Direktflug vorziehen! Bei den Flügen selbst wurde mit dem Racer offenbar recht vorsichtig umgegangen.

An meinem Zielort angekommen, begann ich behutsam, mich auf Klima, Leute und Straßenverkehr einzustellen…
Allgemein wird auf Kuba sehr viel Rad gefahren. Kraftfahrzeuge und Treibstoffe sind knapp und teuer, öffentliche Verkehrsmittel sind selten und meistens überfüllt. Das typische Fahrrad dort ist chinesischer oder kubanischer Herkunft. Es hat keine Schaltung, aber einen stabilen Gepäckträger. Damit werden bis zu 4 (!) Personen gleichzeitig oder alle sonstigen Güter transportiert. Eine Beleuchtung habe ich gar nicht gesehen, vereinzelt mal einen kleinen Reflektor. Wer bei Nacht dort mit dem Auto unterwegs war, wird verstehen, warum es trotz sehr weniger Kraftfahrzeuge so viele Verkehrtote gibt. Die Beleuchtung der Autos und LKWs ist in der Regel auch sehr mangelhaft, bei Begegnungen wird deshalb auf- und nicht abgeblendet !! Die unbeleuchteten und matt-dunklen Radfahrer und auch die genauso gut getarnten vielen Ochsen- oder Pferdegespanne werden auf den stockdunklen Überlandstraßen oft erst in letzter Sekunde sichtbar. Wer da nicht ausweicht, hat schnell Pech gehabt…?
Selbst auf meinem Racer mit 5 Watt Halogenstrahler hatte ich bei Dunkelheit Mühe, Langsamere früh zu erkennen , weil an den anderen Verkehrsteilnehmern so rein gar nichts reflektiert… Die Straßenqualität ist recht unterschiedlich, meist aber asphaltiert oder betoniert. Die Regel gilt: Je größer, desto besser – am besten fährt es sich auf den bis zu sechsspurigen „Autopista“ (Autobahnen), die tatsächlich von allen Fahrzeugen, inclusive Ochsenfuhrwerken benutzt werden. Normal sind zwei Spuren mit Seitenstreifen in jede Richtung und die Langsamsten fahren eben ganz rechts. Es gibt so wenig Verkehr, daß das problemlos geht. Selten fahren mehr als drei Autos hintereinander. Ich fand es großartig, daß ich dort mal 50 Km gradeaus fahren konnte, ohne ein einziges Mal abbremsen zu müssen…!
Die kleineren Straßen werden schnell so löcherig und rauh, daß sie für Geschwindigkeiten über 25 Km/h ungeeignet sind. Zu leicht übersieht man die einzelnen wirklich tiefen Löcher, die mit ihren scharfen Bruchkanten echte Reifenkiller sind. Ich habe meinen Ersatzreifen bald gebraucht…

Überlandstraße zwischen Plantagenanlagen
die typische Überlandstraße zwischen Plantagenanlagen

Grundsätzlich sicher vor solchen „Überraschungen“ ist man auf kubanischen Straßen nie, auch nicht auf der „Autopista“. Bei einer sonst glatten Straße sind die groben Löcher aber selten und lassen sich besser erkennen. Fahrbahnteile von Brücken erfreuen an den Übergängen zur Fahrbahn nicht selten mit einem bis zu 20 cm breiten Spalt zwischen zwei Metallkanten. Da fährt man dann besser entweder ganz langsam durch, oder ganz schnell drüber…

Überholt wurde ich meist sehr rücksichtsvoll. Laster kündigen sich normalerweise durch gewaltigen Lärm und zusätzliches kurzes Hupen an, ein Rückspiegel ist unbedingt empfehlenswert. Man ist offenbar an Radfahrer überall gewöhnt.
Wegen entgegenkommend überholenden Autos und Lastern mußte ich allerdings einige Male stark abbremsen. Keiner rechnet dort mit schnellen Liegerädern …
Das Interesse der Kubaner an meinem Racer war enorm. Mopeds, Autos, Laster und sogar vollgestopfte Busse fuhren kilometerweit hinter oder neben mir her und die Insassen schauten sich mich und mein Rad genau an. Viele freundliche Gesten kamen dabei herüber und allgemeine Erheiterung… Nicht selten wurde ich (auch auf der Autobahn) zum Überholen „genötigt“ damit der Fahrer mich wieder besser sehen konnte… Das hat unter anderem auch den Vorteil, daß man dann nicht in der manchmal kilometerlangen Dieselrußfahne fahren muß, die manche der Fahrzeuge hinter sich lassen.

Rast im Schatten an der Autopista
Rast im Schatten an der Autopista

Bei einer kurzen Rast im Schatten eines Baumes an einer Landstraßenkreuzung verursachte ich einen regelrechten Verkehrsstau: Ein Bus und mehrere andere Fahrzeuge hielten auf der Straße an und die Insassen stiegen aus, um mein Liegerad anzuschauen. Auf der Kreuzung ging nichts mehr. Aber es gab nicht etwa, wie hierzulande bei ähnlicher Gelegenheit üblich, ein wütendes Hupkonzert – man nahm sich statt dessen Zeit für die offenbar sehr interessante Abwechslung und auch ohne viel Spanisch ließ sich so einiges „bereden“…

Eine wirklich nette Begegnung hatte ich auf einer meiner Wochenendtouren mit einem kubanischen Rennradfahrer – Zufällig führte uns die Gabelung zweier Landstraßen zusammen. Mir fiel gleich das einzige mir begegnete „richtige“ Rennrad und die sehr durchtrainierte Statur des dunkelhäutigen, offenbar kubanischen Fahrers auf. Wir begrüßten uns, fuhren ein bißchen nebeneinander her und musterten uns grinsend gegenseitig. In Fahrtrichtung weisend wurden wir uns bald einig, schneller zu fahren – und er wurde mit seinem recht einfachen Rennrad wirklich erstaunlich schnell… Ich hatte mit meinem Tourengepäck in den Taschen ordentlich zu kämpfen… jenseits der 50 Km/h gab er aber lautstark und entschieden auf und blieb zurück – der nächste Ort war das Ziel meiner Tour und ich nutzte den Schwung unseres Sprints für die letzten Kilometer, drehte am Ortsausgang um und fuhr entgegengesetzt zurück. Wieder auf der Landstraße kam mir bald der Rennradfahrer entgegen und deutete mir aufgeregt zu halten. Er war ganz aus dem Häuschen, wollte sich mein Rad unbedingt aus der Nähe ansehen. Ungewöhnlicher weise sprach er ein wenig englisch – so konnten wir uns leidlich verständigen.
Wir hatten mit den kleinen Hindernissen der Sprachen ein sehr herzliches Gespräch, zu dessen Ende er mir seinen Radsportpaß zeigte – er fährt in der cubanischen Nationalmannschaft…

Generell begegneten mir die Menschen sehr freundlich und aufgeschlossen! Viel offener, als ich es bisher irgendwo in Europa erlebt habe… Leider kann ich nur sehr wenig Spanisch und andere Sprachen wie Deutsch, Englisch oder Französisch helfen bei einem Gespräch mit den Einheimischen selten weiter.
Die technischen Kenntnisse der Leute sind verblüffend. Aerodynamik, Schaltungsübersetzungen und z.B. Hydraulische Scheibenbremsen werden sofort erkannt und angesprochen, während ihre eigenen Räder oft in einem erbarmungswürdigen Zustand sind … Ersatzteile sind eben schwer zu bekommen und teuer…

Tieflieger vor der internationalen Filmschule
vor der internationalen Filmschule

In den drei Wochen, die ich durch meine Anstellung an der Filmschule dort verbringen durfte, habe ich nebenbei über 1000 Km mit meinem Racer zurückgelegt. Das Straßennetz ist übersichtlich. Allerdings sind auch Hinweisschilder rar. Eine Gesamtkarte von Kuba, die ich mir bereits in Berlin im Buchhandel besorgt hatte, tat gute Dienste. Mein Handy habe ich gleich in Deutschland gelassen – ein normales Telefon ist auf Kuba schon sehr selten – telefonieren geht nur über die staatliche Telefongesellschaft und ist sehr teuer! Post ist angeblich sehr unzuverlässig und langsam (Wochen…!).
Ich hatte das Glück, den eigenen Internet-Anschluß der Filmschule nutzen zu können ( nur E-Mail mit 1 bis 2 Tagen Verzögerung, kein Zugang zum Netz ). So konnte ich zumindest in den Zeiten, in denen nicht Mails tagelang im Nirgendwo verschwanden, recht komfortabel und verhältnismäßig schnell mit meinen „vernetzten“ Bekannten in Deutschland kommunizieren.

Zum Klima: Obwohl im April der eigentliche Sommer dort noch weit entfernt war, wurde es sehr heiß. Nachts sanken die Temperaturen nur unwesentlich unter 30°C, die Sonne in der Mittagshitze wurde schon unangenehm. Wer aus dem Europäischen kommt, sollte sich fürs erste Sunblocker mitbringen, den man dort kaum zu kaufen bekommt. Ich war mit LSF 12 nach drei Stunden Radfahren in der Sonne schon mittelprächtig verbrannt.

Niederschlag gab es während meiner Anwesenheit dort nur an zwei Tagen in Form eines kräftigen Gewitters. Die mit 160 Km längste meiner diversen Tagestouren ging über die Autobahn in die bergige Gegend bei Soroa nördlich von St.Cristobal und zurück. Ich habe mir beim Fahren wiederholt Wasser über Oberkörper und Bauch gegossen und so die Mittagshitze ganz gut überstanden. Mein Pulsmesser half mir auch, mich nicht zu überanstrengen. Tatsächlich belastet das Fahren bei dieser Hitze (sicherlich über 40°C) deutlich mehr als normal. Man sollte mit etwa 2,5 Litern Wasserbedarf auf 100Km rechnen und entsprechend reichlich mitnehmen! Ich habe unterwegs aber auch immer frisches, oft sogar gekühltes Wasser von den freundlich interessierten Anwohnern bekommen.
Man geht auf jeden Kontakt sofort ein! Es wird viel Wert auf Freundlichkeit gelegt, die aber von einer sehr herzlichen Natur ist.
Kuba ist ein sehr armes Land. Seit dem Zusammenbruch der UDSSR als wichtigster Handelspartner, ging es mit der Wirtschaft der Insel rapide bergab. Es gibt praktisch eine Zweiklassengesellschaft – Die Dollarbesitzer (zu denen zählen auch die Touristen) und die Nicht-Dollarbesitzer (die Masse der Bevölkerung). Ohne $$ sind selbst die täglichen Grundbedürfnisse des Lebens nur schwer zu befriedigen. Trotzdem habe ich nirgendwo (außer als Fußgänger in der Großstadt Havanna) Vorbehalte gegenüber „dem reichen Touristen“ erlebt, sondern nur freundliches Entgegenkommen. Vielleicht war das Liegerad der Schlüssel dazu…

Tieflieger im Sonnenuntergang
Sonnenuntergang

Ich kann allen, die Kuba besuchen wollen, nur empfehlen, sich ein Fahrrad mitzunehmen, oder ggf. im Hotel zu leihen – es ist ein ideales Fortbewegungsmittel und macht dort die Einheimischen und auch die Touristen mobil und autark!