Amphibisch unterwegs

multimodal mit Faltrad und Luftboot

Text und Bilder von: Clemens Winter

Vorbemerkung: Der nachfolgende Beitrag verfolgt keine werblichen Ziele. Neben den aufgeführten Produkten gibt es vergleichbare andere käufliche Artikel, die sicher ebenso tauglich sind. Mein Erfahrungsbericht beschreibt, wie ich 3 Kaufprodukte für meine amphibischen Ausflüge kombiniert habe.

Wäre es nicht wunderbar, sowohl auf der Straße als auch auf dem Wasser ausschließlich mit Muskelkraft (human powered) unterwegs zu sein? Es gibt viele zauberhafte Flüsse in der Rheinebene, wo ich wohne. Aber meist wird für das Bootfahren auch ein Auto genutzt – um zum Wasser zu kommen.

Es ist immer wieder ein schönes Naturerlebnis, mit einem Kajak einen Fluss stromab zu fahren. Aber daraus ergeben sich in der Regel mehrere Abhängigkeiten: Es braucht eine Verabredung mit einem netten (und zuverlässigen) Menschen, der einen an der Ausstiegsstelle wieder abholt, meist wird dazu ein weiteres Auto mit Dachträger bewegt. Und in der Regel kommen für die Hol- und Bringdienste doppelt so viele Auto-Kilometer zusammen als Boots-Kilometer. Unter ökologischen Gesichtspunkten ziemlich suboptimal.

Wie könnte man das verbessern? Nun gut, wenn ich unabhängig sein möchte, kann ich einige der Bootstouren als Rundkurs planen. So paddle ich auf meiner Hausstrecke zunächst stromauf, das kann aber je nach Strömung auch eine Übung in Geduld werden. Zurück geht es dann umso flotter. Aber wäre es nicht prima, wenn ich zum Bootfahren gar nicht auf ein Auto angewiesen wäre? Und die ganze Tour mit Muskelkraft machen könnte?

Ein Streifzug durch das Netz macht klar, dass ein amphibisches Muskelkraftfahrzeug (human powered vehicle) eine sehr seltene Spezies ist. Am ehesten taugt nach meiner Ansicht das Konzept, bei dem ein Fahrrad kombiniert wird mit aufblasbaren Schwimmern und einem Propellerantrieb – wie zum Beispiel beim Shuttlebike – siehe www.shuttlebike.com.

Daneben findet man im Netz einige exotische Zwitter – also echte Amphibienfahrzeuge, die sowohl auf dem Wasser als auch auf der Straße fahren können. Ihre Tauglichkeit für den Alltagsgebrauch erscheint zum Teil jedoch eher fragwürdig. Eine gelungene „Kreuzung“ zwischen Fahrrad und Boot habe ich gleichwohl gefunden: Ein traditioneller Kanadier in Holzbauweise, bei dem für den Landbetrieb 3 Räder durch entsprechende Einbauten ergänzt werden können. Man sieht dem Zwitter allerdings sofort an, welches die dominanten Gene sind: Ganz offensichtlich ist es primär ein Boot, das durch zusätzliche Bauteile auch für den Landweg von und zum Wasser ertüchtigt wurde – siehe: youtube.com/always pedal your canoe.

Im Internet findet sich sogar einen Wikipedia-Artikel zum Amphibienfahrrad. Echt interessant, dass es bereits ab 1860 Entwicklungen und Patente für dreirädrige „Wasser-Velocipede“ gab!

Hier ein Zitat aus Wikipedia: „Das erste bekannte funktionstüchtige und erprobte Amphibienfahrrad wurde 1910 von Alfred Baumgartner und Hirth, Mitarbeitern der Maschinenfabrik Christian Mann aus Waldshut im Südschwarzwald entwickelt. Am 10. August 1913 demonstrierte Baumgartner die Tauglichkeit durch eine kombinierte Tour zu Wasser und zu Land auf dem Rhein von Waldshut nach Laufenburg (Baden) mit einer Distanz von jeweils 20 km. Eine Patentanmeldung in allen europäischen Ländern folgte. Das Modell ging jedoch nicht in Serie.“

Amphibienfahrrad von 1910
Amphibienfahrrad von Baumgartner und Hirth um 1910

Mein Ansatz war ein anderer: Ich wollte nicht nach einem Zwitter Ausschau halten, sondern nach einer geeigneten Kombination von Faltrad, Anhänger und Paddelboot suchen. Also für jedes Element ein dafür optimiertes Fahrzeug nutzen und das jeweils andere Fahrzeug in seinem fremden Element huckepack nehmen.

Diese Idee ist nicht neu. Hier zum Beispiel die Umsetzung eines Zeitgenossen , der einen Kanadier, ein Fahrgestell und ein Faltrad für amphibische Touren kombiniert hat. Er beglückt uns im Netz mit einem Zeitraffer-Video seiner Kreation: youtube.com/Bicycle Canoe.

Ich machte mich mit demselben Ansatz auf die Fährte. Mit dem Unterschied, dass ich auf dem Wasser ein vorhandenes 2-sitziges aufblasbares Kajak nutzen wollte. Zunächst hatte ich vor, unseren Kajak-Wagen als fahrbaren Untersatz für das Boot zu verwenden und das aufgepumpte Boot an das Rad zu koppeln. Aber die Umrüstung des Alu-Gestells auf kugelgelagerte Laufräder erwies sich als größere Hürde. So suchte ich im nächsten Anlauf nach einem möglichst kompakten Anhänger für das Faltrad, das ich einige Wochen zuvor für multimodale Ausflüge mit Zug, Auto und Boot gekauft hatte.

Am geeignetsten erschien mir ein Anhänger von Burley. Er wiegt weniger als 7 kg, die beiden 16-Zoll-Räder können per Knopfdruck abgenommen werden, zudem lässt sich der Hänger mit einigen weiteren Handgriffen flach zusammenlegen.

Aber der Reihe nach. Die Kombination von Auto, Faltrad und Boot hatte ich wenige Wochen zuvor erprobt. Das Faltrad Tilt-500 von Decathlon lässt sich gut im Heck unseres Golf Variant ver stauen. Wie auch unser Luftboot AirTrek FLex 465.

Am Wasser angekommen, habe ich zunächst das Luftboot auf der Wiese ausgepackt und aufgepumpt. Das Befüllen der 3 Luftkammern ist mit einer elektrischen Pumpe nach ca. 5 Minuten erledigt, der Betriebsdruck von 10 PSI wird innerhalb von weiteren 5 Minuten mit einer manuellen Pumpe hergestellt. Den Sitz befestigte ich in Bootsmitte. Das Faltrad stellte ich ins Heck, mit einem kleinen Brettchen aus Leichtholz unter der Parkstütze. Mit einem Zurrgurt wurde das Klapprad im Boot vertäut, damit es nicht versehentlich über Bord gehen konnte. Die Probefahrt wurde ein Erfolg. Das Boot lag gut im Wasser und ließ sich von der Bootsmitte aus gut manövrieren. Das Fahrrad im Heck war überhaupt nicht zu spüren, das Boot war so flott und wendig wie ohne den Zusatzballast.

Das Faltrad hinten im Boot
Das Faltrad im Boot

Im nächsten Schritt ging es um die Frage, ob der Anhänger zum Faltrad passen würde. Würde die Kupplung des Burley-Hängers mit dem Faltmechanismus kompatibel sein? Glück gehabt! Das Falten ist durch die an der Hinterachse angeschraubte Anhängerkupplung nicht beinträchtigt.

Als ich den Packsack mit dem Luftboot dann das erste Mal auf den Hänger geladen habe, war ich echt begeistert. Das Paket passte haargenau zwischen die beiden Seitenwände des Hängers. Jetzt stand meinem ersten amphibischen Ausflug mit Fahrrad- und Boot nichts mehr im Weg.

Am 14. Oktober 2019 war es soweit, das perfekte Ausflugswetter lockte mit blauem Himmel und Windstille. Mit mehr als 20 Grad war es fast sommerlich warm. Um 10:30 Uhr fuhr ich los, nachdem ich Boot, Sitz, Doppelpaddel, Pumpe und Schwimmweste mit 2 Zurrgurten auf dem Hänger gesichert hatte. Die ca. 6 km von Zuhause bis Auenheim legte ich in 20 Minuten zurück. Beim Anfahren und bei der Steigung über die Autobahnbrücke ist das Zusatzgewicht schon deutlich zu spüren. Ebenerdig rollt der Hänger hingegen leicht und folgsam hinter dem Rad.

Das Landgespann: Faltrad, Anhänger und Boot
Fahrfertiges Landgespann: Faltrad, Anhänger und Boot

Die Moder ist mein Lieblingsfluss hier im Elsass, meist nutze ich die Uferwiese an der Brücke bei Auenheim als Einstiegsstelle. Ungefähr eine halbe Stunde brauchte ich, bis das Boot aufgepumpt und startklar war. Das Faltrad verzurrte ich im Heck, die Räder des Hängers verschwanden im Bug, den flach zusammengefalteten Hänger konnte ich vorne auf dem Boot festmachen. Nun noch Schwimmweste und Rucksack ins Boot, dann stieß ich mich mit dem Doppelpaddel vom Ufer ab. Das Boot glitt über die flache Kiesbank, nach einigen Paddelschlägen war ich in der Mitte des Flüsschens, mit der zunehmenden Strömung nahm ich Fahrt auf und war in der spätsommerlichen Auenlandschaft unterwegs.

Es fühlte sich großartig an – mitten in der Natur, in dieser paradiesischen Flusslandschaft. Kein Lärm, kein Gestank, kein Verkehr, Natur pur. Ein unbändiges Gefühl von Freiheit! Schließlich könnte ich jederzeit meine Route ändern, am Ufer anlanden und meine Tour mit neuem Ziel per Rad fortsetzen.

Für die 17 Kilometer stromab bis zur Mündung der Moder in den Rhein nahe Iffezheim war ich knapp 3 Stunden unterwegs. In einer der letzten wunderschönen Flussschleifen in der Nähe von Fort Louis machte ich auf einer Kiesbank Rast. Nach der kleinen Pause zog ich die Schwimmweste an, denn bei der nächsten Etappe auf dem Rhein musste ich mit Schiffsverkehr und Wellengang rechnen.

Der Anhänger vorne auf dem Boot
Der Anhänger ist vorne im Boot verstaut

Die letzten 2 Kilometer vor der Mündung in den Rhein geht es auf einem kanalartigen Abschnitt am großen Deich der Staustufe Iffezheim entlang, man unterquert die Brücke mit der Schnellstraße, welche die deutsche A5 mit der französischen A35 verbindet.

Dann endlich, kurz vor der Wintersdorfer Brücke, kam ich ins Fahrwasser des Rheins. Auf Gegenkurs war dort gerade ein Baggerschiff – es kontrolliert ständig die Tiefe der Fahrwasserrinne, bei Bedarf wird gebaggert, damit für den Frachtverkehr stets genug Wasser unter dem Kiel gewährleistet ist.

Schiff auf dem Rhein
Auf dem Rhein – bei wenig Wellengang

Der Ritt auf dem Rhein wurde dann recht bewegt, auf den knapp 7 Stromkilometern bis Münchhausen hatte ich keine Zeit für Fotos. Unablässig musste ich paddeln und steuern, die Wellen und der Schiffsverkehr erforderten meine ganze Aufmerksamkeit, denn es waren zahlreiche Frachter und Schubverbände auf diesem Streckenabschnitt. Oft kamen die Wellen aus mehreren Richtungen gleichzeitig. Die flussauf fahrenden Frachtschiffe erzeugen einen Sog, der den Wasserspiegel um ca. 20 cm absenkt und kräftige Strudel über den Buhnen am Rand der Fahrrinne erzeugt. Kaum hatte mich ein Schiff passiert, musste ich schauen, dass ich im schrägen Winkel über seine Heckwellen komme, damit mir kein Wasser ins Boot schwappt.

Bei Münchhausen bog ich dann aus der Fahrrinne nach Westen in das Mündungsdelta der Sauer ein. Endlich wieder glattes Wasser! Und beschauliche Ruhe, schilfbesäumte Ufer, Fischerkähne, Schwäne, Kanada-Gänse und Enten – noch eine kleine Weile genoss ich die friedliche Stimmung im Naturschutzgebiet der Sauermündung. Dann legte ich in der Nähe der Brücke an und entlud mein Kajak. Meine Sportuhr attestierte 23 km und 3,5 Stunden auf dem Wasser.

Nachdem ich das Boot verpackt und nebst Ausrüstung auf dem Hänger verzurrt hatte, fragte ich zwei Passanten, ob sie wohl ein Foto von mir und meinem Gespann machen könnten. Keine Frage, gerne!

Kurz nach 16 Uhr habe ich mich dann mit Faltrad und Anhänger auf den Heimweg gemacht. Über den Pamina-Radweg ging es auf der Krone des Hochwasserdamms durch die Rheinauen bis Neuhäusel, dann über Roeschwoog zurück nach Soufflenheim. Der kleine Hänger folgte brav, mit fast 20 km pro Stunde ging es flott Richtung Süden und stromauf. Das war auch angesagt, denn die Sonne stand mittlerweile schon tief im Westen. Nach 27 km und eineinhalb Stunden mit dem Rad kam ich dann Zuhause an. Erschöpft, aber zufrieden. Mein erster amphibischer Ausflug nur mit Muskelkraft, ein schönes Erlebnis! Meine erste multimodale kleine Tour – erfolgreich gemeistert.

Faltrad mit Luftboot auf Anhänger
Der Autor und sein Gespann

In der kommenden Saison möchte ich mal einen kombinierten Ausflug auf den Spuren von Alfred Baumgartner (siehe oben) unternehmen – der Hochrhein bei Waldshut soll landschaftlich sehr reizvoll sein. Für diese amphibische Tour möchte ich Zug und Boot kombinieren. Auf dem Weg von der Bahn zum Wasser und zurück möchte ich das Boot im Packsack mit der kleinen teleskopierbaren Sackkarre transportieren, die ich für diesen Zweck schon vor geraumer Zeit bei einem Discounter gekauft habe. Ich freue mich schon auf dieses nächste kleine Abenteuer. Am schönsten wäre es zu zweit – schließlich ist das Boot ein Doppelsitzer.