Velocars für eine Person: eine Übersicht

Text: Dietrich Lohmeyer – Fotos: Hersteller

Der Markt der Velomobile, Velocars oder Carbikes ist zurzeit ziemlich unübersichtlich, da viele neue Fahrzeuge angekündigt werden und viele Start-Ups bereits wieder insolvent sind. Ich versuche zunächst etwas Klarheit im Segment der Velocars für eine Person zu schaffen.
Ich gehe hier nicht auf die traditionellen Velomobile, sondern nur auf Fahrzeuge mit Motorunterstützung bis 45 km/h und Fahrzeuge mit vier Rädern ein, die sich deutlich von traditionellen dreirädrigen Velomobilen unterscheiden. Als neue Bezeichnung scheint sich «Velocars» durchzusetzen, im Buch über Velomobile hatte ich «Carbikes» benutzt, auch der Begriff «Pedelecs mit Dach» wird verwendet.
Velocars sind der Versuch, Velomobile durch eine größere Ähnlichkeit mit dem Auto bezüglich Formgebung, Platz, Motorunterstützung, Sitzposition und Connectivity aus ihrer sehr kleinen Nische herauszuholen. 3.200 Vorbestellungen für das Frikar zeigen, dass es einen großen Bedarf für Fahrzeuge zwischen Fahrrad und Auto gibt.
Langsam wächst auch die Überzeugung, dass es nicht ausreicht, bei den bisherigen Autotypen den Benzinmotor gegen einen Elektromotor zu tauschen, dass wir sehr viel mehr kleinere und leichtere Fahrzeuge brauchen, um die Klimaziele im Bereich des individuellen Verkehrs zu erreichen. «Grüner Strom» wird noch lange Zeit ein knappes Gut bleiben.
Velomobile mit starkem Motor, der bis 45 km/h unterstützt, sind gut geeignet für lange, bergige Strecken. Vor allem auf dem täglichen Weg zur Arbeit bieten sie Vorteile gegenüber traditionellen Velomobilen, die Fahrzeiten werden deutlich kürzer und man fährt ohne zu schwitzen zur Arbeit.
Vierrädrige Velomobile mit Motorunterstützung bieten mehr Kippsicherheit und bei ähnlichen Außenmaßen mehr Platz im Heckbereich. Bei allen vorgestellten vierrädrigen Fahrzeugen kann ein Kind mitgenommen werden.
Mehr Platz im Fahrzeug und höhere Geschwindigkeit erweitern die Einsatzmöglichkeiten dieser Fahrzeuge im Vergleich zum traditionellen Velomobil. Die höheren Karosserien (Quadvelo, Pedilio, Podride) vermitteln vor allem Neueinsteigern ein besseres Sicherheitsgefühl und verbessern den Überblick, vor allem im Stadtverkehr.
Das Drycycle, das ich im letzten Newsletter zum E-Book vorgestellt habe, wird nicht mehr gebaut, das Business von Drymer wird zurzeit nicht mehr angeboten. Auf die Fahrzeuge aus Canada und den USA gehe ich hier nicht ein, da es keinen Ansprechpartner in Europa gibt. Ich versuche, für das nächste Info Bull eine ähnliche Übersicht über die noch größeren Velocars für zwei Personen zu schreiben.

Neuigkeiten bei den Carbikes für eine Person

Die meisten Fahrzeuge aus der Tabelle werden seit Jahrzehnten gebaut. Das hat den Vorteil, dass man ausgereifte Fahrzeuge bekommt, bei denen im Lauf der Jahre viel Detailpflege investiert wurde.

GallopE AZ

Gallope AZ Seitenansicht

Akkurad hat auf der IAA 2021 das neue GallopE vorgestellt. Das GaloppE AZ ist eine Weiterentwicklung des Alleweder A6. Den neuen Namen erhält es, weil es sich in vielen Bereichen vom Alleweder 6 unterscheidet. AZ steht für Aymen Zgibi, den Entwickler und neuen Chef von Akkurad.
Im Frontbereich wurden Lampe und Blinker in die Karosserie integriert, der gesamte hintere Bereich der Karosserie ist neu, breiter und hat einen abnehmbaren Kofferraum. Vier Räder machen das GallopE AZ kippsicher und verbessern die Straßenlage. Außerdem ist mehr Platz für Gepäck im hinteren Bereich. Wird der Kofferraum entfernt, kann wie bei einem PickUp auch eine große, offene Kiste angeschraubt werden. Als «Lastenrad» gibt es dann eventuell Fördermöglichkeiten. Der Kofferraum kann auch als Kindersitz umgestaltet werden.
Human-electric Hybrid steht für ein neues, innovatives Antriebssystem, das für eine Vielzahl für Anwendungsszenarien geeignet ist. Das Allradsystem setzt dabei auf Muskelkraft an der Vorderachse und auf zwei individuell ansteuerbare Radnabenmotoren, hier von Heinzmann, an der Hinterachse. Die Steuerung verarbeitet auch die Informationen von einem Neigungssensor, der signalisiert, ob es bergauf oder bergab geht. Ein Lenkwinkelsensor ist angedacht. Bergauf wird dann automatisch mehr Strom freigegeben, bergab wird die Rekuperation stärker oder schwächer eingesteuert. Mit einem angedachten Lenkwinkelsensor kann später in der Kurve das äußere Hinterrad schneller laufen als das innere Hinterrad. Over-the-Air Firmware Updates für neue Entwicklungen sind möglich. Als Standardakkupack sollen 2 x 1,4 kWh verbaut werden. Verschiedene Homologationen sind möglich: Pedelec (25 km/h) und L6e (45 km/h).
Das Fahrzeug auf der Messe war noch nicht fahrbereit, im Frühjahr 2022 sollen die ersten Probefahrten in Schwäbisch Gmünd angeboten werden. Das GallopE AZ hat einige Eigenschaften des Frikar, setzt aber auf das bewährte System von Windschutzscheibe und Dach mit Sehschlitz, das sich beim Alleweder 6 bewährt hat. Die Sicht nach vorne bleibt immer frei, auch wenn die Scheibe beschlagen, verdreckt, zerkratzt oder zugefroren ist.

Frikar von Podbike

Frikar mit offener Verkleidung
Frikar mit offener Verkleidung

Neu auf dem Markt ist jetzt auch das Frikar von Podbike. Podbike entwickelt bereits seit 8 Jahren, hatte jede Menge Presse auch in Fahrrad- und Auto-Zeitschriften und hat im Oktober Probefahrten in vier deutschen Städten angeboten. Da es bereits über 3.000 Vorbestellungen gibt, die Vorrang bei den Probefahrten haben, war es für neue Interessenten schwierig, einen Termin zu bekommen. Trotzdem konnten laut Podbike 800 Besteller und Interessenten das Frikar fahren.
Podbike und STORCK Bicycle verkünden ihre strategische Partnerschaft mit dem Ziel, Mikromobilität und damit den Umstieg von fossil betriebenen Fahrzeugen auf Fahrräder und Velomobile weiterzuentwickeln. STORCK und Podbike starten ihre Kooperation mit der gemeinsamen weltweiten Markteinführung des Frikar. Die Frikar Launch Week begann
am Montag, den 18. Oktober 2021 im STORCK-Firmensitz in Idstein. Durch die Kooperation von STORCK und Podbike wird ein Vertriebsnetz geschaffen, in dem Podbike-Kunden ihr Frikar kaufen und warten lassen können. Ende 2021 sollen die ersten Vorbesteller ihr Fahrzeug erhalten.
Im Velomobilforum gibt es einen langen Faden, in den auch von den ersten Probefahrten im Oktober berichtet wird: Unterforum Velocars: Slowdown (Forumsname): «Ich hatte am Freitag in Oldenburg die Möglichkeit, eine Probefahrt mit einem Podbike zu machen…. Leider hatten die drei vorgestellten Podbikes noch nicht die Serienreife erreicht, eine objektive Bewertung über den späteren Zustand der Fahrzeuge ist so nur schwer möglich.Vorab: Das Podbike mit einem Velomobil zu vergleichen, macht keinen großen Sinn. Das Teil wiegt in der gefahrenen Testversion 90 – 100 kg und der serielle Hybridantrieb ist für Liegeradfahrer stark gewöhnungsbedürftig.»
Positiv
«Ein- und Aussteigen durch das Schwenken der Haube und des Lenkers nach hinten bzw.. unten und den tiefen Einstieg sind sehr bequem. Das Platzangebot ist sehr gut, die Belademöglichkeit sehr gut. Die Sicht durch die Haube hervorragend, während der (nur kurzen) Probefahrt durch die nicht ganz geschlossene Haube keine oder nur geringe Beschlag-Bildung. Lenkung unkritisch und intuitiv, Fahrverhalten scheint auch unkritisch zu sein, kann aber auf so kurzer Teststrecke nicht objektiv bewertet werden, Federung gut. Die Verarbeitungsqualität ist o.k., es waren allerdings noch einige Prototypteile (3D Druck) verbaut, die wahrscheinlich noch verändert werden.»
Negativ
«Unrundes Tretgefühl – Steuerung über die App war nicht möglich, es war die höchste Unterstützungsstufe voreingestellt, sodass nur sehr wenig Kraft benötigt wurde – soll bei kleineren Unterstützungsstufen besser sein Verschluss der Haube verbesserungsbedürftig, das Verriegeln der 3 Positionen (offen, hinten spaltbreit offen, geschlossen), ist noch sehr fummelig- das Öffnen der verriegelten Haube muss von außen jederzeit möglich sein. Karosserie knarzt noch an diversen Stellen. Lärm: Als Fahrer eines Scorpions mit Direktantrieb (Swissdrive) empfand ich die Lautstärke der drei Motoren als störend (es sind drei baugleiche rekuperationsfähige Motoren -ohne Freilauf- über einen Riemenantrieb verbaut). »
Auch Henning Tesch, ein Velomobilhändler aus Ottersberg bei Bremen durfte eine kurze Probefahrt machen: «Die Sicht war durch die Riesen-Panoramakuppel schon schön – eigentlich. Sie war halt vom Regen nass und der Wischer ohne Funktion. Angeblich soll die Scheibe so gut behandelt sein, dass der Regen während der Fahrt abperlt und die Sicht nicht nennenswert behindert Das konnte ich auf der „Teststrecke“ nicht herausfinden. Auch soll die Scheibe unempfindlich gegenüber Kratzern sein. Mikrokratzer, wie gerade die Milan-FahrerInnen es von den Visieren kennen, sollen hier nicht vorkommen Schön, wenn es wirklich so ist.
Nun saß ich also in dem Frikar, das Tretlager wurde in die max. Position geschoben und dann die Haube geschlossen Fast. Aufgrund des Wetters wurde sie nicht ganz geschlossen sondern nur in der ersten von drei Positionen eingerastet. Das sollte die Scheibe frei von Kondensat halten. Ingesamt hat der Termin bei mir ein zwiegespaltenes Gefühl hinterlassen Einerseits finde ich es toll, dass das Frikar es auf die Straße geschafft hat. Es gibt aber noch einige Baustellen im Bereich der Elektrik und Mechanik.»
Andere Probefahrer hatten ähnlich Kritik, es wird vor allem über ein verzögertes Anfahren und eine nicht sehr steife Befestigung des Tretgenerators berichtet. Ab Ende November sollen weitere Probefahrten in München und Stuttgart angeboten werden. Neubesteller werden noch ziemlich lange warten müssen, bis die Vorbesteller ihr Fahrzeug erhalten haben.

QUADVELO von Eurocircuits

Quadvelo noch ohne Türen
Quadvelo – noch ohne Türen

Vom Quadvelo wurden ungefähr 15 Fahrzeuge an die ersten «Markenbotschafter» ausgeliefert. Diese Fahrer der Beta-Serie sollen Ihre Erfahrungen an den Hersteller zurückmelden, der diese Anregungen dann in der Großserie verarbeiten kann. Im Velomobilforum gibt es auch einen sehr ausführlichen Thread zum Quadvelo. In zwei Videos wird die aktuelle Version vorgestellt. (eins und zwei) Die Bewertungen in den Videos sind durchweg positiv: bequemes Ein- und Aussteigen, gute Straßenlage auch bei schlechten Wegstrecken und ausreichend schmal auf Radwegen.
Probefahrten kann man zurzeit bei Velomo in Weida machen. Eine vorherige Terminvereinbarung ist zu empfehlen.
Das Quadvelo gehört mit 1,30 m zu den höheren Velocars, was auch bei nur 84 cm Breite zu einer größeren Frontfläche führt. Das Fahrzeug in Weida hat noch keine Türen. Steffen Schönfelder schreibt im Thread: «Die Aerodynamik war open-side gefühlt sogar schlechter als völlig offen. Da bin ich gespannt, was die Türen ausmachen. Grob über den Daumen müsste es den Cw-Wert von >0.5 auf ~0.3 rum senken.»
Auf dem Foto ist zu erkennen, dass hinter dem Sitz sehr viel Platz ist, vor allem wenn bei einem kleineren Fahrer der Sitz weiter nach vorne gestellt wird.

Vergleiche zwischen den Fahrzeugen aus der Tabelle

Bei den schnellen Fahrzeugen, bei denen der Motor bis 45 km/h unterstützt, wird das Alleweder 6 auch mit kleinem, leichtem 500 Watt-Bafang-Motor angeboten. Das ist genug Unterstützung für Strecken mit leichten Steigungen und hat den Vorteil, dass die eigene Tretleistung noch gut zu spüren ist. Man hat dann ein eher sportliches Fahrgefühl. Die großen Radnabenmotoren haben den Vorteil, dass man fast mit Höchstgeschwindigkeit bergauf fahren kann. Dadurch wird man seltener überholt und kann besser im Verkehr mitschwimmen.
Gerade bei den schnellen Fahrzeugen hat der Vierradantrieb Vorteile hinsichtlich der Straßenlage. Zwei kleinere Radnabenmotoren statt einem großen verkleinern die ungefederten Massen.
Das Quattrovelo mit Tretlagermotor ist mit nur 40 kg Gesamtgewicht noch sehr gut ohne Motor zu fahren. Sportliche Fahrer bewegen sich häufig im Bereich zwischen 30 und 40 km/h auf gerader Strecke, bergab auch mit 80 oder 90 km/h. Es ist damit sicher das sportlichste und auch das sparsamste Velocar, da der Motor häufig abschaltet. In die Gruppe der sportlich zu fahrenden Velocars gehören auch Alleweder 6 und Leiba mit Tretkurbelmotor. Den meisten Platz für Kinder und/oder Gepäck hat das Quadvelo.
Ausführliche Beschreibungen der älteren Fahrzeuge finden Sie im E-Book «Velomobile – Schnelle Fahrräder mit Wetterschutz». Kunden erhalten im Übrigen in unregelmäßigen Abständen zum E-Book Newsletter mit aktuellen Informationen zum Thema.

Elektro-Velomobile, Velocars für eine Person Stand 11. November 2021
Preis: inklusive Elektroantrieb und Standard Akku.

TypHerstellerLandPer-sonenRäderMotor WattAkku kWhGewicht kgGesch. km/hPreis ab Lieferbar ab
Alleweder 6 TL45AkkuradD13250 / 20001,15 – 2,34445 *7990lieferbar
GallopE AZ AkkuradD1+K4k.A.2,8ca. 6525/45k.A.1.Q. 2022
leiba hybridLeibaD135001,15 – 2,353 45 * 8600lieferbar
Sunrider SR3VeloxiterD13250 /
3000
0,9 – 2,467 45 * 110001.Q. 2022
PedilioViebachD14 250 /
1000
0,7568 25/45 11780lieferbar für Tester
QuattroveloVelomobiel.nlNL1+K 4250k.A.ca. 402511500lieferbar
QuadveloEC-VeloB1+2K 4 250 0,62 -1,2585257900lieferbar für Tester
FrikarPodbike ASN1+K4 250 0,62902570004.Q. 2022 für Vorbest.
PodRidePodRideS1+K4 250 0,77025k.A.Mitte 2021
* alle 45 Km/h-Fahrzeuge sind auch (preiswerter) in einer zulassungsfreien Version lieferbar