Text: Dietrich Lohmeyer
In diesem Jahr gab es bereits zwei tödliche Unfälle, von denen im Velomobil-Forum berichtet wurde. Einen Nachruf zum Tod von Siglinde findet ihr im Info Bull 240. 2018 ist unser ehemaliger Vorsitzende Christoph Hipp bei einem Velomobilunfall verstorben. Diese Häufung von tödlichen Unfällen war für mich Anlass, noch einmal über Sicherheit von Velomobilen und Velocars nachzudenken.
Ich fahre selbst seit fast 30 Jahren ein Alleweder nahezu unfallfrei. Manchmal denke ich, dass ich einfach sehr viel Glück gehabt habe, und dass schwere Unfälle jederzeit passieren können. Andererseits möchte ich auf gar keinen Fall mein Velomobil aufgeben. Ich versuche im Folgenden auf einige Gefahrenpunkte hinzuweisen und auf die Möglichkeit von technischen Verbesserungen.
Sehen und gesehen werden
Leute, die das erste Mal ein Velomobil sehen, sagen oft zuerst: „Das ist mir viel zu niedrig, damit traue ich mich nicht in den Verkehr.“ Ich entgegne dann meist, dass ein flacher Sportwagen auch nicht höher ist als mein Alleweder. Wenn ich mit dem Velomobil unterwegs bin, habe ich das Gefühl, dass Autofahrer mit mehr Abstand überholen, als wenn ich mit dem Fahrrad, Motorrad oder Auto unterwegs bin.
Im Velomobil-Forum sind meist Fahrer von schnellen, flachen Velomobilen vertreten. Seit Anfang 2023 werden im „Unfallfaden“ [1] Unfälle und Beinah-Unfälle mit Velomobilen diskutiert. Insgesamt gibt es bis heute mehr als 1.000 Posts in diesem Faden. Zum Thema Sichtbarkeit wird hier die Meinung vertreten, ein Velomobil an sich sei definitiv nicht unauffällig oder unsichtbar. Wer schlecht sieht, sollte sich überlegen, ob er für den öffentlichen Straßenverkehr tauglich ist (egal ob Auto- oder Radfahrer).
Ein aufmerksamer Fahrer muss auch Verkehrszeichen wie Zebrasteifen und Richtungspfeile, die auf der Fahrbahn aufgemalt sind, wahrnehmen. Ein flaches Velomobil ist also eigentlich nicht zu übersehen. Ein aufmerksamer Fahrer, der mit angepasster Geschwindigkeit unterwegs ist, dürfte ein Velomobil eigentlich auch nicht übersehen.
Leider sieht die Realität häufig anders aus: Autofahrer lassen sich vom Handy oder von den neuen Infotainment-Systemen im Auto ablenken. Einige Sekunden Unaufmerksamkeit bei überhöhter Geschwindigkeit können gerade auf Landstraßen zu vielen Unfällen führen. Laut Spiegel vom 19.10.24 gab es 2022 fast 1.600 Unfalltote auf deutschen Landstraßen, fünfmal mehr als auf Autobahnen. Gerade bei schwierigen Lichtverhältnissen ist die schmale und niedrige Silhouette von sportlichen Velomobilen schlechter zu sehen. Das Hauptproblem dürfte nicht die Sichtbarkeit von Velomobilen sein, sondern die selektive Wahrnehmung. Mit schnellen Velomobilen und Rennradfahrern wird oft nicht gerechnet, erst recht nicht bei Schnee und schlechtem Wetter.[2] Man sieht das besser, was man erwartet (Autos, Fahrräder). Unbekannte Silhouetten werden vom Gehirn manchmal ausgeblendet.
In den Beschreibungen von Verkehrsunfällen liest man immer wieder, dass auch Autos, sogar riesige Wohnmobile von anderen Autofahrern übersehen werden. Als Velomobilfahrer-Fahrer:in sollte man darauf achten, dass man sich nicht in tote Winkel hinter und neben PKWs und LKWs begibt. Auch Hecken und Büsche können die Sicht auf flache Fahrzeuge behindern.
![Velomobildach von Flevobike.](https://hpv.org/wp-content/uploads/Flevobike_Velomobildach.jpg)
![Haube mit seitlichen Fenstern.](https://hpv.org/wp-content/uploads/Haube_Fenster_seitlich.jpg)
„Radler“ schreibt dazu im Unfallfaden: „Mache dich mit den Sichtfeldern deines Gegenübers (des Autofahrers) vertraut… An Ampeln stelle sicher, dass du mindestens in einem Spiegel gesehen werden kannst.“ Er weist darauf hin, dass auch in Autos tote Winkel durch A-Säulen und kleine Fenster vorhanden sind.[3] Damit man besser gesehen wird, hilft gute Beleuchtung mit Tagfahrlicht, auffällige Farbgestaltung, Blinker und Bremslicht. Im „Sicherheitsmodul“ ist eine Lampe mit Rücklicht kombiniert, das so hoch wie möglich auf dem Velomobil montiert wird. Es wäre auch denkbar, Blinker in dieses Modul zu integrieren. Einige VM-Fahrer montieren Fahnen am Heck. Im „Unfallfaden“ sagen einige Fahrer, dass sie auch selbst schon Autos übersehen haben, die sich im toten Winkel nach vorne links und rechts durch die kleinen Hauben befanden. Bei der Konstruktion der Hauben sollte darauf geachtet werden, dass die vorderen Abstützungen möglichst wenig die Sicht behindern und auch seitlich möglichst viel freie Sicht gewährleistet ist.
![Sicherheitsmodul in der Hutze beim Bülk](https://hpv.org/wp-content/uploads/Sicherheitsmodul_Hutze_Buelk.jpg)
Beim stets kritischen Einfädeln in den Verkehr kann man bei einigen Velomobilen kurz die Haube anheben und hat dann freie Sicht nach vorne und zur Seite. Die Sicht nach hinten sollte durch zwei ausreichend große und richtig positionierte und sorgfältig eingestellte Spiegel gewährleistet sein. Tendenziell werden höhere und größere Fahrzeuge mit höherer Sitzposition besser gesehen als kleinere. Mit höherer Sitzposition sieht man selber besser, vor allem im Stadtverkehr. Der tragische tödliche Unfall im September, der im Unfallfaden in Post 1128 beschrieben wird, wurde auch durch schlechte Sichtbarkeit des Velomobils vor dem Queren einer Landstraße verursacht. Bei fast allen sportlichen Velomobilen kann man ein Visier öffnen, wenn die Scheibe beschlagen, zugefroren oder verschmutzt ist. Viele neue Velocars haben eine feste Frontscheibe. Hier sollte man sehr genau prüfen, ob die Scheibe bei allen Wetterbedingungen frei gehalten werden kann.
Ausreichende Bremsleistung
Da die meisten Fahrer der schnellen Velomobile häufig die Fahrbahn statt des Radweges benutzen und sehr schnell unterwegs sind, ist es äußerst wichtig, bei einer Vollbremsung des vorausfahrenden Autos rechtzeitig zum Stehen zu kommen. Meist hat ein moderner PKW mit ABS einen kürzeren Bremsweg als ein Velomobil. Bei nasser Straße ist der Unterschied noch größer, da viele sportliche Velomobile Reifen mit keinem oder wenig Profil fahren. Der Bremsweg von Velomobilen verlängert sich auch, wenn die Bremsen nicht optimal eingestellt sind. Wichtig ist also regelmäßige Wartung der Bremsen und Abstand halten zum vorausfahrenden Fahrzeug, vor allem bei sehr großen Geschwindigkeiten bergab. Detailwissen zu Velomobilbremsen findet ihr im „Velomobilgrundwissen“.[4] Velocars haben
meist Scheibenbremsen.
Unfälle ohne Fremdbeteiligung
Alleinunfälle sind bei einem Velomobil seltener als bei Zweirädern, da man bei Glätte und rutschiger Straße nicht so leicht umfällt. Das ist der Grund, aus dem ich immer das Velomobil statt meines zweirädrigen Liegerades nehme, wenn ich mich nicht ganz fit fühle der wenn ich gefährliche Strecken fahre. Bei einem dreirädrigen Velomobil wird es gefährlich, wenn das Hinterrad die Seitenführung erliert.[5] Bei hohen Geschwindigkeiten, dreht sich das Velomobil und kann auf die Seite kippen, wenn man nicht rechtzeitig gegenlenkt. Beim Rutschen auf der Seite hat man den Schutz der Karosserie, dem Fahrer passiert meistens nichts, wenn das Fahrzeug nicht durch ein Hindernis abgebremst wird. Dann ist vor allem der Kopf des Fahrers gefährdet. Überschlägt sich das Velomobil, ist eine stabile Hutze hinter dem Kopf oder ein stabiler Überrollbügel wichtig. Es kann auch gefährlich werden, wenn der Fahrer aus dem Velomobil herausgeschleudert wird. Das passiert seltener bei Velomobilen mit sehr kleiner Einstiegsluke. Bei dem tragischen Unfall im Frühjahr diesen Jahres (Post 605) kam der Fahrer von der Straße ab und landete kopfüber in einem Bach. Er war dann nicht in der Lage, auszusteigen.
Die Tendenz zum Ausbrechen des Hinterrades kann gemildert werden[6], wenn man in der Kurve nicht bremst (Hinterrad wird entlastet), wenn man Gepäck nach hinten packt (Auflastung des Hinterrades), Reifen überprüft, pannensichere Reifen fährt. Tubeless-Felgen erschweren das Abspringen des Reifens bei einer Panne. Bei breiten Felgen baut der Reifen weniger hoch auf. Ich habe bei meinem Alleweder zwei zusätzliche Dämpfer am Hinterrad montiert. Die Tendenz zum Ausbrechen des Hinterrades bei dreirädrigen Velomobilen war für Velomobiel.nl der Anlass, das Quatrevelo zu entwickeln. Bei Tests auf einer Slalomstrecke war es schneller als das Quest. Das Quatrevelo war ziemlich erfolgreich: in acht Jahren wurden 376 Stück gebaut. Auch die meisten Velocars haben heute vier Räder.
Kollision mit Auto von hinten
Fährt ein Auto von hinten auf ein Velomobil auf, wird das Velomobil meist nach vorne geschoben, wenn dort Platz ist. Die stabile Hinterradschwinge verhindert meist größere Personenschäden. Wichtig ist eine gut passende und stabile Kopfstütze. Aufprall von vorne
Bei einem Aufprall von vorne sind als erstes die Beine betroffen, diese können aber recht gut große Kräfte aushalten[7].
Aufprall seitlich
Passiert der Aufprall genau seitlich, nehmen die Vorderräder einen großen Teil der Kräfte auf. Meist wird das leichtere Velomobil vom schweren Auto weggeschoben. Wie der Unfall im September zeigt, wird es extrem gefährlich, wenn eine Ecke der Stoßstange des Autos schräg seitlich auf die Karosserie prallt. Dann wird die Seitenwand des Velomobils zerstört, und der Fahrer ist sehr stark gefährdet. Die schmalen sportlichen Velomobile haben hier kaum Platz für Verstärkungen der Seitenwände. Bei breiteren Velomobilen scheint es mir möglich, die Seitenwände zu verstärken. Ich bin aber kein Ingenieur, das müssten die Velomobilkonstrukteure beantworten. Bei den größeren Velocars gab es 2021 das fertig entwickelte Drycycle. Das Drycycle hatte einen stabilen, seitlich hochgezogenen Rohrrahmen.
Auf youtube findet man Videos über das Drycycle. Im ersten Video sieht man einen Crash-Test, in dem ein schwerer Schlitten seitlich auf ein Drycycle prallt (s.u., ab 1:39). Das Velocar wird einige Meter weggeschleudert, die Struktur des Drycycle bleibt intakt. Leider ging die Firma 2022 in Insolvenz.
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„Jack-Lee“ schreibt im Forums-Beitrag 319 im Faden „Cit-Kar“[8], dass er an einem Velocar „mit Fahrgastzelle arbeitet, die bei den gefahrenen Geschwindigkeiten auch bei festem Hindernis nicht kollabiert“. Werden Sicherheitszellen verbaut, ist auch ein Anschnallgurt möglich. Airbags wurden bisher nicht eingebaut.
Aktive Sicherheit von Velomobilen
Die aktive Sicherheit von neueren Velomobilkonstruktionen ist in den letzten Jahren besser geworden. Durch gute Fahrwerksabstimmung und niedrigen Schwerpunkt ist die Straßenlage besser als bei den älteren Velomobilen.
Routenplanung, Streckenwahl
Ich habe mein Velomobil hauptsächlich im Pendlerverkehr zur Arbeitsstelle eingesetzt. Nach einiger Zeit kannte ich die Strecken sehr gut und kannte auch die Gefahrenpunkte, die meist mit dem Einfädeln in den Straßenverkehr zu tun hatten. Auf meiner Standardstrecke habe ich Radwege, wenig befahrene Landstraßen und Wirtschaftswege benutzt. Auf diesen bekannten Wegen habe ich mich immer sicher gefühlt, bei fremden Strecken ist das anders. Das Gefühl, gefährdet zu sein, habe ich vor allem auf viel befahrenen Straßen, auf denen schneller als 80 km/h gefahren wird. Aber auch auf schmalen Straßen bergauf, wenn die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Velomobil und Auto sehr groß werden. Die Zahl der Überholvorgänge nimmt dann zu, jeder Überholvorgang ist eine potentielle Gefährdung. Wenn sich hinter mir Schlangen bilden, halte ich kurz an und lasse andere Fahrzeuge überholen. Falls vorhanden, nehme ich bergauf immer den parallel laufen Radweg. Ein Gefährdungsgefühl stellt sich auch ein bei schlechter Routenplanung und Unsicherheit, wie es weitergeht, sowie bei Dunkelheit.
Die routinierten Velomobilfahrer, die häufig sehr lange Reisen machen, verringern die Gefährdung durch sehr gute Vorbereitung bei der Streckenplanung. Der Navi „BRouter.de“ bietet die Möglichkeit „schnelle Velomobile“ einzugeben. Dann findet er Strecken, die für schnelle Velomobile geeignet sind.
Verkehrspolitik für Velomobile
Natürlich nützt jede fahrradfreundliche Verkehrspolitik auch den Velomobilfahrern. Jeder Fahrer von schmalen Velomobilen kann auch normale Radwege benutzen, wenn er dort mit angepasster Geschwindigkeit fährt.
Eine gute Verkehrspolitik für Velomobile ginge aber über eine reine fahrradfreundliche Verkehrspolitik hinaus. Die Fahrer von ähnlich großen und schnellen Fahrzeugen haben ähnliche Anforderungen an die Verkehrspolitik wie die Velomobilfahrer. Ähnlich schnelle Fahrzeuge sind Rennräder, Pedelecs, S-Pedelecs, dreirädrige Liegeräder (auch als S-Pedelec), Motorräder mit Versicherungskennzeichen.
Von diesen Leichtfahrzeugen (Fahrzeuge leichter als die Last) gibt es wesentlich mehr auf europäischen Straßen und die Chance, Einfluss auf Verkehrspolitik zu nehmen, ist größer, wenn man die Belange dieser gesamten Fahrzeuggruppe vertritt. [9] Eine Tempo 80-Regelung für Landstraßen, häufigere Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 70, 60, 50 und 30 km/h und häufigere Geschwindigkeitskontrollen würden die Gefahr für Velomobilfahrer erheblich verkleinern. Unfallhäufigkeiten
Aus den amtlichen Statistiken kann man nicht herauslesen, wie viele Velomobile oder Spezialfahrräder in Unfälle verwickelt waren. Laut amtlicher Statistik gab es 2023 in Deutschland insgesamt 446 getötete Radfahrer:innen und 550 getötete Motorradfahrer:innen. Ich kann nicht abschätzen, ob Fahrer: innen von Velomobilen überdurchschnittlich häufig in Unfälle verwickelt waren. Hundertprozentige Sicherheit kann man im Straßenverkehr nie erreichen. Man kann immer nur den Grad der Sicherheit erhöhen.
Vielleicht tragen einige der Maßnahmen, die ich oben beschrieben habe, dazu bei.
Fußnoten – Literatur – Weiterführende Infos
- Velomobilforum.de/Velomobile/Unfallfaden
(https://www.velomobilforum.de/forum/index.php?threads/unfallfaden). - Christoph Moder:Velomobil-Grundwissen,Eigenverlag,
2. Erweiterte Druckauflage 2022-09-23, 273 Seiten – mail@christoph-moder.de. - Velomobil-Forum Post 1.172.
- siehe 2) Seite 83-90.
- siehe 2) Seite 65 ff.
- siehe 2) Seite 67.
- siehe 2) Seite 211.
- www.Velomobilforum/Velocar/Cit-Kar.
- vgl. Lohmeyer, Velomobile – Schnelle Fahrräder mit Wetterschutz
2. ErweiterteAuflage als E-Book 2020, 170 Seiten – Seite150 ff.).
![](https://hpv.org/wp-content/uploads/Buch_Velomobile.jpg)