Um die Jahrtausendwende hat Juliane Neuss einen Umbausatz für das damals beliebteste Faltrad, das Brompton entwickelt und verkauft. Das besondere war neben der Faltfunktion, dass die Erweiterung wieder rückstandslos entfernt werden konnte.
Juliane, welches Fahrrad möchtest du uns vorstellen?
Ich gestehe, dass ich «abtrünnig» bin und (fast) nur noch aufrecht Fahrrad fahre. Das hat viel mit meiner Gesundheit zu tun, teilweise geht es nicht anders. Trotzdem habe ich immer noch 4 Liegeräder im Keller stehen. Eine Streetmachine, ein Liegebrompton, ein Ratzfatz und ein Kettwiesel. Ich möchte das Liegebrompton vorstellen, das von Ingo Kollibay und mir 1996 entwickelt wurde, weil es nun mal etwas sehr Einmaliges ist und immer noch nachgefragt wird, obwohl es seit über 15 Jahren nicht mehr gebaut wird.
Was ist die Besonderheit an diesem Fahrrad?
Eigentlich ist es ja nur der Umbausatz. Darunter steckt das «ganz normale» Brompton und der Umbausatz wurde so konzipiert, dass man bei Nicht-Gefallen aus dem Faltliegerad wieder ein aufrechtes Brompton machen konnte. Die Erinnerung an die Entwicklungsphase hat für mich und Ingo noch immer was mystisches, weil es schien, dass sich die Konstruktionsidee selbstständig in unsere Gehirne gearbeitet hat, fast so als hätten wir nichts damit zu tun. Plötzlich war alles stimmig und der Umbausatz fügte sich beim Falten in das Brompton, als ob es schon immer so geplant war. Als ich mit dem Prototyp zu einem Treffen nach England flog, habe ich das gefaltete Liegebrompton in der ganz normalen Brompton-Überstülptasche verpackt, so klein ist das Rad im gefalteten Zustand immer noch. Der Liegerad-Umbausatz wird im vorderen Bereich von einem Zahnriemen angetrieben, der im unteren Tretlager auf einer kombinierten Kettenblatt-Riemenscheibe angeordnet ist. Den Riemen muss man beim Falten abnehmen, bekommt aber davon auch keine schmutzigen Hände.
Wir haben von 1998 bis 2004 neunzig Umbausätze verkauft. Danach verhinderte eine Neukonstruktion bei Brompton (der Rahmen wurde länger gebaut) das Fortführen der Produktion, hauptsächlich, weil wir den entsprechend längeren Zahnriemen nicht bekommen konnten. Die erste Konstruktion haben wir buchstäblich um die verfügbare Riemenlänge herum gebaut, die sich dann als ergonomisch perfekt herausstellte.
Was könnte man noch verbessern?
Ich werde immer wieder mal gefragt, ob ich das Liegebrompton wiederaufleben lasse. Bis vor kurzem war das konstruktive Nadelöhr die Riemenlänge für den vorderen Antrieb. Mittlerweile habe ich von der Firma Haberstock eine perfekt passende Riemen-Riemenscheiben-Kombination bekommen, mit der man den längeren Bromptonrahmen aufbauen könnte. Was aber unbedingt verbessert werden müsste, ist die gesamte Sitzkonstruktion, die in der jetzigen Bauweise einfach zu schwer ist. Mir schwebt da schon lange eine Carbon-Konstruktion vor, dafür brauche ich aber Mitstreiter, die sich in dem Thema besser auskennen.
Auch wenn das jetzt so klingt, als ob ich die Produktion wiederaufnehmen würde, muss ich die Leser vorläufig enttäuschen. Noch habe ich nicht ausreichend Zeit und Geld, mich darum zu kümmern, aber ich habe immer versprochen, dass ich die Idee nicht aufgeben werde.
Juliane Neuß, alias Junik-hpv GmbH, entwickelt und baut Fahrzeuge für kleinwüchsige Menschen, betreibt in Claustal-Zellerfeld die Fahrradschmiede 2.0, eine spezialisierte Brompton-Werkstatt und bietet Ergonomie-Beratung für Groß und Klein an.