Großes Oldenburger Liegeradtreffen 2012

Weit mehr als bloß Liegerad fahren

HPV…Der Name war Programm, denn mit über 100 teilnehmenden Personen war die Veranstaltung, die vom 14. bis 16. September in Oldenburg stattfand, wahrlich groß. Gleichzeitig ging mit der enormen Teilnehmerzahl auch eine riesige Fahrzeugvielfalt einher. Darüber hinaus war das Treffen auch noch international besetzt und die Mischung aus Muskelkraft betriebener Aktivitäten und Kultur war stimmig. Was kann man sich für ein Wochenende sonst noch wünschen?

Wie schafft man es als Organisationsteam, eine so große Veranstaltung mit Ausfahrten mit so vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu organisieren, ohne dabei die Nerven zu verlieren? Etwa mit viel Rückenwind und stets genug Druck auf dem Reifen? Das reicht längst nicht aus, denn so viele Menschen ohne nennenswerte Zwischenfälle durch den Verkehr zu lotsen, braucht mehr als Wind und Luftdruck.

Velomobile auf dem GOL
Velomobile im Schatten

Die Oldenburger Liegeradgruppe ist mittlerweile nicht mehr nur im norddeutschen Raum bekannt. Egal, ob es sich um ihre jährlich stattfindende Maitour handelt oder darum, dass sie selbst an anderen Veranstaltungen wie etwa einem Seifenkistenrennen (vgl. IB 166, S.27f.) teilnimmt. Die Gruppe ist zweifelsohne in vielen Bereichen rege (siehe auch IB 164 S.9). Darum zögerte der Stammtisch auch nicht und verpasste der Veranstaltung einfach den Zusatz ‚Groß!‘ Der überwiegende Teil der Besucher des ‚Großen Oldenburger Liegeradtreffen‘ kam aus dem norddeutschen Raum. Besucher mit zum Teil sehr weiten Wegen waren z. B. Carl Georg Rasmussen, der mit seiner Leitra aus Dänemark kam, aber auch aus dem rheinland-pfälzischen Speyer und aus den Niederlanden.

Lag das etwa am Programm, dass sich so eine große Anzahl von Liegeradlern angesprochen fühlte? Das Wochenende bot weit mehr als nur Liegeradfahren. Zum Auftakt am Freitag fanden geführte Fahrradsternfahrten von Bremen und Leer nach Oldenburg zum Treffpunkt statt. Übernachtet wurde auf dem alten Kasernengelände, welches stadtnah liegt und den notwendigen Raum für die geplanten Aktivitäten bot. Der Freitagabend überzeugte mit einer ländlichen Dämmerungstour: Ein Sektempfang bei Kerzenlicht am Wassersteg zum Abschluss demonstrierte keinerlei norddeutsche Kühle sondern stand vielmehr für einen stimmungsvollen warmen Empfang.

Gesellschaftsräder – all überall…

Der Samstag bildete eine gute Mischung aus Tour und Kultur. Zuerst ging es zum Spezial-und Liegeradladen ‚Die Speiche‘ in Oldenburg. Hier erwartete die gesamte Gruppe eine besondere Fahrradausstellung: „Tandem und mehr – Gesellschaftsräder.“
Eins war den ausgestellten Exponaten abzulesen: Sie wurden tatsächlich radfahrenderweise in die Gesellschaft eingeführt, denn sie waren weder neu noch von der Stange. Zu nennen wäre da bspw. ein Klappradtandem aus den 1970er Jahren oder ein Pedersen-Triplett sowie ein Rücken-an-Rücken-Liegeradtandem.
Weiterhin sind an dieser Stelle vor allem die Exponate von Heiko Stebbe hervorzuheben. Was so ein richtiges „Stebbe-Fahrzeug“ ist, lebt selbstredend von eindrucksvollen Details. Denn wie immer bestechen sie gleichermaßen durch anspruchsvolle Technik, interessanter Rahmenkonstruktionen und die Verwertung von ‚Alt-Fahrrad-Materialien“. Heiko präsentierte diesmal u.a. ein „Nebeneinander“ Tandem mit anspruchsvoller Kettenführung.

Stadt- und Landpartie

An der Speiche teilte sich die Gruppe in zwei Gruppen. Eine Gruppe wollte sich genug Zeit nehmen, um die Stadt Oldenburg besser kennenzulernen, und eine zweite Gruppe machte eine ‚Landpartie‘. Bemerkenswert ist, wie gelassen der motorisierte Verkehr den Tross an Zweiradvielfalt genommen hat, denn es wurde selbstverständlich im Verband gefahren, was demnach von den weiteren Verkehrsteilnehmern eine gehörige Portion Rücksicht erforderte. Insgesamt wurde also in Kreuzungsbereichen somit eine eindrucksvolle Demonstration der muskelkraftbetriebenen Liegeradwelt geboten. Von der ‚Lissy‘ bis zum Allewedder oder Mango und Quest bis hin zum Grashopper Einspurer oder der Greenmachine sowie Dreiräder im Duzend und eine beachtliche Anzahl an Eigenbauten, wie bspw. aus dem langjährigen Schülerprojekt von Jens Bonow/Leer. Oder kurz: Dem unbedarften Oldenburger Passanten wurde eine breite Palette Liegeradwelt geboten.

Slalomfahren mit Liegerädern
Geschicklichkeitsparcours auf dem GOL

Von der Außenwirkung ging es auch wieder an die Innenwirkung: es galt, die individuelle Geschicklichkeit unter Beweis zu stellen. Ein Geschicklichkeitsparcours mit unterschiedlichsten Anforderungen, wie dem punktgenauen Bremsen mit Hinter-und Vorderrad, Tennisbälle mit einen Art Boggiaschläger in eine bestimmte Richtung zu rollen und Baumzapfen in einen aufgehängten Korb zu werfen: Der Geschicklichkeitsparcours lud ein, um unter Beweis zu stellen, wie Mensch die Maschine beherrscht.

Von der Kunst….

…eine Gruppe zu verwöhnen, davon verstand das „Cafe Mansholter Weg“ eine Menge. Auf die gesamte Gruppe, die hier wieder aufeinander traf, wartete selbstgebackener Kuchen mit Schlag! Im Kaffeegarten bei angenehmen spätsommerlichen Temperaturen ließ es sich aushalten und angenehm plauschen. Nach der sehr leckeren Kuchenstärkung ging es wieder zurück Richtung Oldenburg. Am Ziel angekommen musste die gesamte Gruppe eine allerletzte Kulturhürde meistern und eine HPV-Skulptur bilden. Was ist darunter zu verstehen? Alle Teilnehmenden stellten sich gemäß der Buchstaben „ HPV“ auf. Die Velomobile bildeten einen Halbkreis um die Gruppe und es wurde fotografisch dokumentiert (siehe 1. Foto). Am Abend gab es Siegerehrungen der anderen Art. Geehrt wurden wie bspw. der jüngste und älteste Teilnehmer, die weiteste Anfahrt per Rad und last but not least bekamen die Gewinner des Geschicklichkeitsparcours ihre Preise. Das „Große Liegeradkino“ kam mit einigen positiven Überraschungen aus der Vergangenheit: hier wurde bspw. auf die DM (Deutsche Meisterschaft) von 2001 in Leer verwiesen. Jens Bonow hat zu dem Zeitpunkt ganz maßgeblich dafür gesorgt, dass in Leer ein Liegeradfestival stattfinden konnte. Ohne seinen Einsatz hätte es keine EM (Europameisterschaft) in 2009 geben und ohne diesen Einsatz wäre die kommende WM (Weltmeisterschaft) 2013 (21. Bis 23. Juni) nicht denkbar. In diesem Sinne habe ich als Vorsitzende des HPV auch die WM vorgestellt. Ehler Cuno als Vertreter der Stadt Leer ließ es sich nicht nehmen, das Treffen zu besuchen und die Bedeutung einer WM für die Stadt Leer hervor zu heben.
Tosender Applaus…

Für die Organisatoren der Oldenburger Liegeradgruppe gab es zu Recht „Standing Ovations“. Das ‚Große Oldenburger Liegeradtreffen‘ überzeugte mit einer herrlichen Mischung aus Gemeinsamkeit, Aktivitäten und einer gelungenen Kult(o)urmischung. Hierbei ist ganz besonders das hohe Maß an ehrenamtlichem Engagement hervorzuheben. Und: man kann es nicht zu oft sagen: Durch dieses Engagement funktioniert die vielfältige Liegeradwelt mit ihren unterschiedlichsten Charakteren. Denn dabei entstehen neue kreative Ideen und es entsteht gemeinsames und sichtbares Handeln.

Der HPV freute sich darüber, die Veranstaltung ebenfalls mit einem kleinen Beitrag zu unterstützen und – wie immer auf solchen Veranstaltungen – seine Veranstalter-Haftpflichtversicherung zur Verfügung stellen zu können. Bleibt zu hoffen, dass die Oldenburger diese Art der Veranstaltung mit ihrem gelungenen Mix wiederholen, auch wenn ich selbst aus Erfahrung weiß, wie anstrengend sein kann, eine Veranstaltung zu organisieren. Vor allem hofft der HPV, dass sich weitere Liegeradlerinnen oder Liegeradler trauen, in „ihren“ Regionen ähnliches (es muss gar nicht so perfekt sein!) auf die Beine zu stellen. Tusch!

Heike Bunte, 2012-09-18