Prof. Paul Schöndorf hat jahrzehntelang Forschung für die Weiterentwicklung des Fahrrades in seinem Fahrradlabor an der FH Köln betrieben. Hier stellen wir die wichtigsten Mark-steine seiner Entwicklung vor. Inzwischen konnte Schöndorf seinen 80sten Geburtstag feiern.
Text, Fotos: Prof. Paul Schöndorf
Ende 1974, nach Ölkrise und Energieverteuerung hatte Prof. Paul Schöndorf, der an der Fachhochschule in Köln tätig war, die Idee, ein Fahrrad mit Wetterschutz zusammen mit Studenten zu bauen. Sein Ziel war, in autoüblicher Kleidung zu den Vorlesungen fahren zu können, ohne sich in Regenkleidung quälen zu müssen, falls das Wetter einmal nicht so schön war.
Moderne Werkstoffe sollten es erlauben, das Fahrzeug so leicht wie möglich zu bauen. Schöndorf hatte damals in England ein Kilogramm Carbonfasern gekauft, für 2.000 DM. Um Erfahrungen mit dem Material zu sammeln, machte einer seiner Studenten Versuche an Modellflugzeugen. Daraufhin entstand das erste Muscar (Muskel-Auto). Das Vierrad hatte zwar eine kippbare Haube, war aber zu schwer mit seinen 35 kg. Auch war der Schwerpunkt zu hoch und das Fahrwerk zu hart. Das folgende Fahrzeug in GFK-Bauweise hatte Allradfederung und Einzelradaufhängung und war natürlich infolge der aufwendigen Technik auch zu schwer.
Aber beide Fahrzeuge dienten Ausrollversuchen zur Messung von Luft- und Rollwiderstand und waren auf der IFMA 1976 die Sensation. Die Bilder gingen um die Welt und Schöndorf lernte auf der IFMA Wolfgang Gronen und Fred De Long kennen, Gronen zeigte Bilder älterer karossierter Fahrzeuge. Fred DeLong hatte kurz vor dem Treffen 1976 mit Allan Abbott, Paul Mac Cready, Chester Kyle u.a. die IHPVA in den USA gegründet. Schon damals gab es die Idee auch eine deutsche HPVA zu gründen. Aber das gelang dann erst 1985 an der Mosel in Binningen.
Die Antwort Prof. Schöndorfs auf die ersten beiden schweren Fahrzeuge war das Muscabrio. Es wog nur 22 kg, hatte eine Klappverdeck und war im Alltag weit überlegen. Er fuhr damit an einem Tag von Köln zur Firma Schauff in Remagen (insgesamt rund 150 km), um die Fahrradindustrie für die Idee zu interessieren. Leider sprang man auf die Konzepte hinter solchen Fahrzeugen nicht an.
Fahrzeuge wie der Sportmuscar sind sehr aufwendig und teuer in der Konstruktion und Herstellung gewesen und gerieten deshalb relativ schwer. Als Antwort darauf habe ich aus zwei alten Klapprädern und einem defekten Bürostuhl und ca. zwei Meter Rohr (50 x 1 mm) das Muscabrio schweißen lassen. Drei Rohre aus Kunststoff, mittels Heißluft gebogen und mit Folie bespannt, ergaben den Wetterschutz. Bei Dunkelheit, Nässe und Gegenlicht war aber fast nichts mehr zu sehen. Dieses Muscabrio war das preiswerteste, praktischste und beste aller meiner Allwetter-Fahrräder. Ich bin damit über 2.000 km gefahren.
Die Interessenten wollten aber nicht Allwetterräder mit Faltverdeck, sondern lieber mit festem Dach über dem Kopf wie hier beim Easy Muscar, das auch die Firma Hercules in einer Marktstudie auf Verkaufbarkeit prüfte. Übrigens wurden von Schöndorf und einem Langzeitarbeitslosen in einem Förderprojekt des Arbeitsamtes ca. 10 Easy Muscars produziert, gegen Sachkostenerstattung durch
die Kunden.
Das Muscar von Herrn Neunkirchen hatte das beste Design. Eine Erzieherin fuhr das Easy Muscar täglich 10 km zur Arbeit. Ihr Fahrzeug hatte Regenrillen und einen Handscheibenwischer. Das Muscar Papo (s.o.) hatte von allen Fahrzeugen die größte Akzeptanz. Aus Handlings- und Gewichtsgründen kam der Wechsel zu zweirädrigen Allwetterfahrzeugen (Muscooter 1 – 8).
Auf der IFMA 1978 hatte Schöndorf eine gute Studentenmannschaft und sie präsentierten mehrere Dreiräder und Fahrräder. Auch hier fand sich kein Hersteller, obgleich die Firma Hercules einen Prototypen kaufte.
Während der Messe fand die erste wissenschaftliche Fahrradkonferenz an der Fachhochschule Köln statt, auf der Prof. Kyle von der California State University einen Vortrag hielt. Aber auch Prof. von der Osten Sacken von der RWTH Aachen oder Prof. Donicke von der Uni Köln, Wolfgang Gronen und Prof. Schöndorf selber behandelten weitere Themen aus ihrer Fahrradforschung. Im Jahr 1980 kam das Muscar Easy heraus, von dem Schöndorf überzeugt ist, dass es das beste Dreirad war. Auf der IFMA 1982 präsentierte Hercules ein solches Dreirad und stellte Marktstudien an, um die Verkaufbarkeit zu ermitteln. Allerdings war eine Jahrestückzahl von 400 für Hercules zu gering, um wirtschaftlich zu sein.
Muscooter Alle Muscars
Diese Fahrräder waren einfacher herzustellen, preiswerter und wurden zusammen mit einem Mitarbeiter gebaut. Die zweirädrigen Muscooter waren bei starkem Seitenwind gefährlich! Die Zukunft des Allwetterrades bzw. des Velomobils liegt in einem max. 15 kg schweren Vierrad, ähnlich dem Muscar Pabo, bzw. für Sportler in dem Quattro-Velo von Velomobiel.NL.
Danach stürzte sich Schöndorf auf das Zweirad, und zwar das teilverkleidete. Das Liegerad sollte nach Schöndorf nicht höher, breiter oder länger sein als das herkömmliche Fahrrad. Das Gewicht der Verkleidung sollte sich möglichst am Gewicht eingesparter Wetterschutzkleidung orientieren.
Der Autor wurde am 11.1.1937 in Zweibrücken/Pfalz geboren. Abitur 1956 am Altsprachigen Gymnasium. Studium in Clausthal(Dipl.-Ing.) und Berlin, dort 1965 Promotion(Dr.-Ing.) an der TU. Danach bei Buderus in Wetzlar. Ab WS 1968/69 an der Ingenieurschule Köln (jetzt TU), Fachbereich Fahrzeugtechnik. 1974 Ernennung zum Professor der FH Köln. Seit 2005, mit 67,im Ruhestand. Seit dem Sommersemster 1975 war Schöndorf in der später Fahrradlabor genannten Einrichtung an der FH Köln tätig und baute mit seinen Studenten diverse Allwetter-Muskelkraftfahrzeuge und trat national und international auf Symposien auf. Seit 2015 befasst er sich mit eigenen Mitteln mit der Entwicklung eines leichten «faltbaren Lauf- und SitzRollers» für Kurzstrecken und die Mitnahme im ÖPV.